Bernard Gaida: „Wir sind auf der ganzen Welt verstreut, aber wir haben gemeinsame Wurzeln“

Am 23.–31. Januar wird im Deutsch-Russischen Regionalhaus Nowosibirsk eine mobile Ausstellung der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheit der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten „In zwei Welten – 25 deutsche Geschichten. Deutsche Minderheiten stellen sich vor“ vorgestellt. Die Ausstellung ist in einem modernen Format präsentiert: Informationsstände und interaktive Module mit eingebauten Kopfhörern.

Die Ausstellung stellt den Besuchern vor, wie deutsche Nationalitäten in 25 Ländern leben, was deutsche Identität bedeutet, die Geschichte der Menschen, Traditionen sowie die aktuellen Aktivitäten von ethnischen Gruppen deutscher Abstammung unter dem Dach der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten.

An der Ausstellungseröffnung hat Bernard Józef Gaida, Vorsitzender des Verbandes der deutschen sozial-kulturellen Gesellschaften in Polen (VDG), Sprecher der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Minderheiten in der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten teilgenommen.

Herr Gaida selbst stammt aus dem polnischen Schlesien, einer Region, in der die Deutschen jahrhundertelang gelebt haben, aber aufgrund komplexer historischer Prozesse den Status einer nationalen Minderheit hatten. Die Begrüßungsrede von Bernard Gaida zur Eröffnung der Ausstellung war daher voller Sorge um das Schicksal der Sprache und Kultur der außerhalb ihrer historischen Heimat lebenden Deutschen: „Wir alle leben als nationale Minderheit verstreut in verschiedenen europäischen Ländern. Für uns alle waren die letzten 30 Jahre eine sehr wichtige Zeit, da in dieser Zeit die schmerzhafte Teilung des Kontinents vollzogen wurde. Wir wissen, wie viel Aufwand erforderlich ist, um die Sprache zu erhalten, die im Alltag so gut wie nie verwendet wird. Die Sprache ohne Unterstützung geht verloren. Mit Schmerz sehen wir, wie die schönsten Dialekte der deutschen Sprache sterben. So wie Denkmäler und Friedhöfe verschwinden. Und wir schauen es machtlos an. Die Deutschen von Kasachstan bis Slowenien, von Dänemark bis Serbien unternehmen große Anstrengungen, um die Rolle der deutschen Kultur in der Geschichte der Regionen zu bewahren. Es werden jedoch noch mehr Anstrengungen unternommen, damit unsere Sprache und Kultur in unserem Herzen und in unserem Geist erhalten bleibt.

Wenn wir als Minderheit alleine arbeiten, sind wir für diese Aufgaben noch schwach. Natürlich brauchen wir weiterhin Unterstützung aus den Ländern, in denen wir leben, sowie aus Deutschland. Dies gilt für den Bereich der schulischen und universitären Bildung, der kulturellen Aktivitäten, des Zugangs zu den Medien, der Beteiligung an der Lösung politischer Probleme und der Jugendarbeit. All diese Bereiche in der modernen Gesellschaft erfordern Professionalisierung.

Leider wird unser Wunsch, unsere Denkmäler oder die Präsenz der deutschen Sprache bei sozialen Aktivitäten zu schützen, nicht immer richtig verstanden. Manchmal ist es für die Gesellschaft einfach schwierig, kulturelle und sprachliche Vielfalt zu akzeptieren. Oft mangelt es an angemessenem Wissen über die Geschichte, über die kulturelle Vielfalt ihrer eigenen Gesellschaft und viele wissen nicht, wie die Deutschen an den Orten, an denen sie jetzt leben, aufgetreten sind und welche Rolle sie in vielen Regionen Europas spielen.

Die Verbesserung dieses Wissens ist eine der wichtigsten Aufgaben der Arbeitsgemeinschaft deutscher Minderheit im Rahmen der Arbeit der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten. Die Ausstellung, die wir heute eröffnen, ist einer der nächsten Schritte auf diesem Weg – wir können uns als Gemeinschaft vorstellen“.

Nach Nowosibirsk geht die interaktive Wanderausstellung „In zwei Welten“ nach Kasachstan.


Zur Kenntnis:

Die Föderalistische Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) ist der Hauptvertreter und größte Dachverband der autochthonen nationalen Minderheiten, Nationalitäten und Sprachgemeinschaften Europas. Unter ihrem Dach vereint sie derzeit 107 Mitgliedsorganisationen aus 35 europäischen Ländern, wobei jedes Jahr neue Mitglieder hinzukommen. FUEN arbeitet für die Erhaltung und Förderung der Identität, Sprache, Kultur, Rechte und Traditionen der europäischen Minderheiten.

Mehr zur Ausstellung:

Nur wenige Menschen kennen das deutsche Leben außerhalb Deutschlands. Dank der Ausstellung kann man die Identität der deutschen Minderheit in der Realität durch cross-tematische Blöcke verstehen. Die Gäste hören die Sprache, lernen Traditionen, Religion, Geschichte, sehen, wie die deutsche Minderheit in verschiednene Ländern lebte und wie sie jetzt lebt.

Die Ausstellung zeigt die Aktivitäten der deutschen Minderheitenverbände in sieben Bereichen: Sprache, Traditionen und Bräuche, Religion, Deportationserinnerungen, Jugendarbeit, Medien, Kunst.

In der Rubrik „Sprache“ berichten die Veranstalter, dass nach 1945 die ältere Generation kein Hochdeutsch mehr und die jüngere kaum noch Dialekte spricht. Trotzdem ist die „Sprachinsel“ Sächsisch, Bayerisch, Fränkisch, Aleman, Niederdeutsch, Hochdeutsch, Mitteldeutsch sowie Mischformen dieser Sprachen erhalten geblieben. In Russland gibt es noch Formen der pfälzischen, der bayerischen, der wolhyniendeutschen und der niederdeutschen Sprache (Plattdeutsch).

Im Themenblock „Brauchtum“ (Traditionen) lernen die Ausstellungsgäste die Küche der Russlanddeutschen, die Trachten, die Bärenhüter-Zeremonie in Schlesien, die Maibaum-Aufstellung in Deutschland und Österreich, den „Erstgeborenenlauf“ in Siebenbürgen kennen.

In der Rubrik „Religion“ findet man zahlreiche Fotos von Gebetsbüchern und Bibeln, Kirchen, Gebetshäusern sowie Reportagen von religiösen Feiertagen und Prozessionen: Martinstag, Advent, Weihnachten. Darüber hinaus kann man in der Rubrik „Erinnerung an Deportation und Unterdrückung“ Scans von Buchseiten lesen, in denen über die Schwierigkeiten und das Schicksal verschiedener Familien erzählt wird.

In der Rubrik „Jugend und Aktionen“ werden Projekte für Kinder und Jugendliche gezeigt.

Der Bereich „Medien“ bietet einen Überblick über Veröffentlichungen, Radio- und Fernsehkanäle der deutschen Minderheit in Europa und der Russischen Föderation.

Sektion „Kunst“ macht die Gäste der Ausstellung mit Künstlerverbänden, kreativen Werken von Autoren, Fotografien von Theaterfestivals, Konzerten und Tagen der deutschen Kultur bekannt.

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