Warten auf einen Durchbruch

Inmitten der Coronavirus-Pandemie, der Wirtschaftskrise und dem schwierigen internationalen Zustand suchen russlanddeutsche Unternehmer nach Möglichkeiten, die Geschäftstätigkeit anzukurbeln. Mehr zu den Herausforderungen und Perspektiven für Unternehmen kurz vor dem gesamtrussischen Tag der Unternehmer finden Sie auf unserer Website.

Sibirien hat die Nase vorn

Zu Beginn werden erst einmal ein paar Fakten genannt. Der gesamtrussische Tag der Unternehmer, der in Russland am 26. Mai gefeiert wird, ist traditionell ein Vorwand für thematische Veranstaltungen in den Kultur- und Geschäftszentren der Russlanddeutschen in den Regionen. Aufgrund der epidemiologischen Situation ist die Anzahl an Seminaren und Runden Tischen zu aktuellen Themen gering, und sie werden in der Regel in einem Online-Format abgehalten. Jedoch wissen wir, dass nicht Gespräche das Wichtigste sind, sondern Taten.

Für die russlanddeutschen Unternehmer im Gebiet Omsk zum Beispiel ist das Jahr 2020 sowie das aktuelle Jahr 2021 vor allem durch Aktionen zu Ehren des Siegestages geprägt. Erst Ende April wurde auf der über Skype durchgeführten Konferenz des regionalen Business-Clubs auf Initiative von Ruslan Topecha, dem Direktor der „Rus-Agro“ GmbH und Mitglied des Klubvorstandes, die Leistung der materiellen Hilfe für die Kämpfer des Großen Vaterländischen Krieges und die Trudarmisten des Deutschen Nationalrajons Asowo des Gebietes Omsk besprochen, und Anfang Mai wurde die Aktion fortgeführt. Die Leiter des Kultur- und Geschäftszentrums (KGZ) der Russlanddeutschen „Deutsch-Russisches Haus // Omsk“ sowie des Zentrums für die Unterstützung von Trudarmisten und Rentnern überreichten Unternehmer den Veteranen finanzielle Mittel in Höhe von 5000 Rubel.

Heute sind der Deutsche Nationalrajon Asowo und viele Unternehmen die wichtigsten Partner und die Stütze des KGZs der Russlanddeutschen des Gebiets Omsk, in denen ein solider Anteil sowohl des Führungspersonals als auch der gesamten Belegschaft aus Russlanddeutschen besteht. Wir möchten die Einhaltung der Grundsätze der sozialen Verantwortung von Unternehmen betonen. So kaufte Ruslan Topecha, Mitglied des Business-Clubs, während der Pandemie zwei medizinische UV-Luftstromreiniger-Rezirkulatoren (zum Desinfizieren der Luft) für das städtische Krankenhaus. Sergej Wagner, Leiter der bäuerlichen Landwirtschaft „Sibgrein“, stellte der Männerfußballmannschaft des Kreises Asowo und Skisportlern rund 200.000 Rubel für den Kauf von Uniformen und Ausrüstungen zur Verfügung.

„In der Region Omsk betreiben mehr als 100 russlanddeutsche Unternehmer kleine und mittlere Unternehmen, von denen sich ein Drittel aktiv an den Tätigkeiten des KGZs beteiligt, einschließlich der Bereitstellung verschiedener Patenschaften“, sagt Pawel Eckert, Leiter des Kultur- und Geschäftszentrums „Deutsch-Russisches Haus // Omsk“. „Der Business-Club trifft sich vierteljährlich im DRH zum Austausch von den besten Praktiken, zur Diskussion von Kooperationen innerhalb der Landwirtschaft, Verarbeitung und Industrie sowie zur Klärung von Fragen der sozialen Verantwortlichkeit der Unternehmen gegenüber der Gesellschaft“.

Die Region Altai weist nicht weniger Geschäftstätigkeit auf. Hier kann Jurij Fritz, Vorsitzender des Rates des Zentrums für kulturell-geschäftliche Zusammenarbeit „Deutsche im Altai“ und Vorsitzender des Altaier Unternehmerverbandes, als das Gesicht des deutsch-russischen Unternehmens bezeichnet werden. Unter Berücksichtigung der Besonderheiten der Region (der Altai ist eine landwirtschaftliche Region) gibt es viele erfolgreiche Deutsche gerade in dieser Branche, und oft ist die Grundlage ihrer Erfolge die Vereinigung von Unternehmern auf nationaler Ebene.

„Heute gehen das Unternehmertum und die Wohltätigkeit in Russland Hand in Hand“, sagt Tatjana Haustowa, Regionalkoordinatorin des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur in der Region Altai.

Ein anschauliches Beispiel dafür brachte Viktor Lorenz aus Sarinsk. Im Jahr 2020 schlug er eine Aktion zum Tag des Sieges vor und setzte sie auch um: Es wurde Kriegsbrot nach dem damaligen Staatlichen Standard (GOST) gebacken und an die Menschen verteilt. Auch in diesem Jahr organisierte er im Mai die große Aktion ‚Grüner Marsch‘, bei der mehr als 9000 Setzlinge gepflanzt wurden“.

Das KGZ der Russlanddeutschen in Barnaul ist mit seinen Projekten ebenfalls aktiv tätig. In letzter Zeit wurden zwei erfolgreiche Projekte realisiert: eine Reihe von Fernsehsendungen auf dem Fernsehkanal „Rossija-24“ und eine Radiosendung auf „Radio Rossii“. Die Sendung heißt „Deutsche im Altai“ und handelt von herausragenden Deutschen, die in der Region leben und die einen bedeutenden Beitrag zur Entwicklung eines bestimmten Wirtschaftszweiges geleistet haben. Es wurde auch ein Film gedreht (eine deutsche Version dieses Films wird momentan ausgearbeitet) über russlanddeutsche Vertreter der Altaier Landwirtschaft unter Beteiligung des Abgeordneten der Staatsduma, Iwan Loor.

Außerdem haben unter den russlanddeutschen Unternehmern in Sibirien die Bewohner von Tomsk die Nase vorn. Weithin bekannt in der Region und darüber hinaus sind das Tomsker Bauunternehmen (Leiter A. Speter), die autonome gemeinnützige Organisation „Forschungsinstitut für Mikrochirurgie“ (W. Baitinger), die „Sawod malyh serij“-GmbH (W. Weizel), das Tomsker Brauereiunternehmen (G. Klein) und andere Organisationen.

„Die Erfolge dieser und anderer Unternehmen sind unbestreitbar, und wir sind froh, ihre Partner sein zu können. Das Deutsch-Russische Haus organisierte zusammen mit dem Institut für Mikrochirurgie die internationale Konferenz ‚Neue Operationstechnologien‘ und half ‚Sawod malyh serij‘ bei der Installation von Geräten aus Deutschland, für welche die Dokumentation übersetzt und vor Ort gedolmetscht wurde. Außerdem beteiligte es sich an Arbeiten im Brauerei- und Bauunternehmen“, sagt Alexander Geier, Direktor des Deutsch-Russischen Hauses in Tomsk.

„Es ist erfreulich, dass Wohltätigkeit ein integraler Bestandteil des Unternehmertums der Russlanddeutschen ist. Dazu gehört auch die Aktion ‚Das Lächeln‘ des Instituts für Mikrochirurgie sowie der jährliche Beitrag des Brauereiunternehmens im Umfang von mehr als 50 Mio. Rubel in die Stadtentwicklung. Darunter fallen auch Wohltätigkeitsveranstaltungen der Bauunternehmen, die zusammen mit dem Brauereiunternehmen Sponsoren unseres Deutsch-Russischen Hauses sind“.

Erwähnenswert sind auch Veranstaltungen zur Unterstützung der ethnokulturellen und geschäftlichen Tätigkeit des Deutsch-Russischen Hauses in Nowosibirsk. Das Zentrum gehörte 2018 zu den Organisatoren des Deutsch-Russischen Kultur- und Geschäftsforums, an dem mehr als 600 Vertreter des Unternehmertums, der Politik, der Kultur, der Bildung und öffentlicher Diplomatie aus fünf Ländern teilnahmen. Es sollte hinzugefügt werden, dass laut Alexander Kiel, dem Direktor des DRH in Nowosibirsk, schon seit fünf Jahren das multinationale Festival „Unsere Wurzeln. Made in Sibirien“ mit der Unterstützung von russlanddeutschen Unternehmern in der Region stattfindet.

Die enge Gruppe der sibirischen Russlanddeutschen wurden allerdings durch Unternehmer in Kaliningrad etwas verdrängt. Hier sind russlanddeutsche Unternehmer in vielen Bereichen der Wirtschaft tätig und leisten einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung der Geschäftstätigkeit im Gebiet Kaliningrad.

„Es gibt immer noch Einschränkungen bei der Durchführung von Massenveranstaltungen in der Region, deshalb wird die Arbeit in Form von individuellen Treffen und beratender Unterstützung geleistet“, sagt Roman Gennich, Vorsitzender des Kultur- und Geschäftszentrums der Russlanddeutschen in Kaliningrad. „Vor dem Hintergrund der sinkenden Wirtschaftsindikatoren im letzten Jahr ist nun ein Anstieg der wirtschaftlichen Aktivität zu verzeichnen, insbesondere in den Bereichen Bauwesen und Tourismus, wo ein noch nie da gewesener Touristenstrom zu erkennen ist.

Das bemerkenswerteste Beispiel für die Zusammenarbeit des Kultur- und Geschäftszentrums in Kaliningrad mit Unternehmern verdeutlicht Viktor Buz, der Inhaber des Gasthauses ‚Zelinburg‘. Sein Unternehmen ist nun mehrere Monate im Voraus ausgelastet, was ihn nicht daran hindert, dem KGZ der Russlanddeutschen mit Sponsorenunterstützung und einigen der besten Bedingungen in der Region für die Veranstaltungen der Russlanddeutschen zu helfen.

Unser Kultur- und Geschäftszentrum arbeitet aktiv mit der Unternehmerschaft der Region Jantarny zusammen und bereitet mehrere interessante Projekte für deutsche und russische Unternehmer vor, an denen im Herbst teilgenommen werden kann“.

Einen Wermutstropfen gibt es allerdings noch ...

Aus der Sicht von Wjatscheslaw Merluschkin, Vorstandsmitglied des föderalen Business-Clubs der Selbstorganisation der Russlanddeutschen, hat ein russlanddeutscher Unternehmer bestimmte Charaktereigenschaften: „Das ist ein positiver und aktiver Mensch, der einen gesunden Lebensstil führt, der sich offen zu seiner Zugehörigkeit zur Diaspora bekennt und sich mit der russlanddeutschen Ethnie identifiziert.

Ein solches Beispiel und gleichzeitig ein Bezugspunkt für erfolgreiches Unternehmertum ist für mich der im Altai lebende Unternehmer Viktor Lorenz. Außerdem beeindruckt mich die Tatsache, dass er sein Geschäft ständig entsprechend den sich ändernden Bedingungen diversifiziert und dabei der Wohltätigkeit große Aufmerksamkeit schenkt.

Als die Pandemie ausbrach, leistete er Pionierarbeit bei der Eröffnung eines privaten Krankenhauses, da die staatlichen Krankenhäuser den Zustrom von Patienten nicht bewältigen konnten“.

Jedoch ist Einer Keiner. Wenn man über wirklich erfolgreiche Unternehmer-Projekte der Russlanddeutschen spricht, kommt man nicht umhin, ihre Aufspaltung und ungleichen Bedingungen zu bemerken. In der Region Altai zum Beispiel, wo die Russlanddeutschen die zweitgrößte nationale Gruppe bilden, ist ihre Geschäftstätigkeit sehr präsent, aber in den Regionen Zentral- oder Südrusslands kann man die Tätigkeiten buchstäblich an den Fingern abzählen.

Heute stellen sich die Unternehmer folgende Fragen: Wie wird sich der Markt entwickeln? Wer kann vielversprechende Projekte unterstützen? Und wo können moderne Management-Technologien erlernt werden? Zunächst wird Unterstützung im eigenen beruflichen Umfeld gesucht, und für Russlanddeutsche ist dies der föderale Business-Club und seine Zweigstellen in den Regionen. Hilfe wird durch Seminare, Webinare und Beratungen angeboten, aber ist das, was wir haben, genug?

„Der Business-Club der Russlanddeutschen hat ein großes Potenzial für die Zukunft. Doch mehrere Jahre nach seiner Gründung haben wir keinen Durchbruch gesehen, wir haben keine Gesellschaft von Gleichgesinnten mit gemeinsamen Interessen, Werten und Zielen erkannt“, fährt Wjatscheslaw Merluschkin fort.

„Es gibt keine Führungspersönlichkeit und keine Fachleute, die mit ihrem Wissen und ihrer Erfahrung im Community Management effektiv mit der Gemeinschaft zusammenarbeiten könnten“.

Außerdem hängt die Entscheidung, den Business-Club als juristische Person zu formalisieren, seit 2020 in der Luft. Laut Wjatsheslaw Merluschkin würde die Bildung einer streng definierten und formalisierten Struktur es erlauben, das Budget des Clubs auf Kosten der Zuschussmittel zu bilden und es würde eine Möglichkeit geben, produktiv mit offiziellen Strukturen verschiedener Ebenen zu arbeiten. Darüber hinaus würde der Status einer juristischen Person der Business-Clubs in den Regionen die Interaktion mit dem föderalen Zentrum erleichtern und gleichzeitig mehr Eigenverantwortlichkeit bei Projektaktivitäten ermöglichen. Vor Kurzem hat der „Business-Club der Deutschen im Altai“ als erster Club solch einen rechtlichen Status erhalten. Es ist noch zu früh, um die Situation zu beurteilen, aber vielleicht wird dieses Beispiel der Anstoß für die fortschreitende Entwicklung der Geschäftstätigkeit der Russlanddeutschen im ganzen Land sein.


Zur Kenntnis:

Der Business-Club der Russlanddeutschen, eine föderale Gemeinschaft von russlanddeutschen Unternehmern, wurde mit Unterstützung der Selbstorganisation der Russlanddeutschen gegründet und ist seit 2012 tätig. Der Club umfasst mehr als 70 Vertreter von kleinen und mittleren Unternehmen aus verschiedenen Regionen Russlands.

Das Ziel des Business-Clubs ist es, die interregionalen und internationalen Beziehungen zwischen Unternehmern der Russlanddeutschen zu fördern sowie den Erfahrungsaustausch und die Entwicklung des Unternehmertums in der Selbstorganisation der Russlanddeutschen zu erleichtern.

Rubriken: Eliteförderung/Avantgarde