Jelena Zewelewa: „Meine Mission als Leiterin des Zentrums der deutschen Kultur ‚Veilchen‘ war vollbracht“


Zusammen mit dem Internationalen Verband der deutschen Kultur, der mehr als 500 öffentliche Organisationen der Russlanddeutschen vereint, werden 20 Organisationen ihre Jubiläen feiern. Darunter auch das Zentrum der deutschen Kultur „Veilchen“ in dem kleinen Dorf Nikolajewka (Region Altai). In diesem Jahr feiert das Zentrum sein 25-jähriges Bestehen.

Nikolajewka ist ein Dorf im Deutschen Nationalrajon mit einer Bevölkerung von etwas mehr als 1000 Menschen. Die deutsche Bevölkerung dominierte eine lange Zeit in Nikolajewka. Heute wird die Ulitsa Zentralnaja von Deutschen bewohnt, die aus dem Kirchendorf Marjanowka des Gouvernements Samara stammen. Durch die Auswanderung der Russlanddeutschen nach Deutschland in den Jahren 1990–2000 blieben etwa 30 Prozent der Deutschen im Dorf.

Wir sprachen mit der Leiterin des Zentrums der deutschen Kultur, Jelena Zewelewa über die ersten Jahre der öffentlichen Organisation, die Arbeitsschwerpunkte, das Traditionsbewusstsein der Generationen, die wegziehende Jugend und die Feier des 25-jährigen Jubiläums vom „Veilchen“.

RD: Wie begann die Geschichte Ihrer Organisation?

J. Z.: Im Jahre 1996 bot die Kulturabteilung des Deutschen Nationalrajons in Zusammenarbeit mit der Stiftung „Altai“ Mitarbeitern von ländlichen Kulturhäusern an, Zentren der deutschen Kultur zu organisieren und zu leiten sowie ein Zentrum zu schaffen – eine „Freizeitstätte“ – in dem sich Russlanddeutsche und Menschen aller Nationalitäten treffen und Zeit verbringen konnten. Das Zentrum der deutschen Kultur in Nikolajewka war eines der ersten, das auf ehrenamtlicher Grundlage gegründet wurde. Ehrlich gesagt, habe ich selbst die Tätigkeiten unseres Zentrums zu dieser Zeit nicht ganz verstanden.

Das Konzept der Erhaltung der deutschen Kultur und des historischen Erbes des Kirchendorfes Nikolajewka sowie das Verständnis der Wichtigkeit der Tätigkeit unserer öffentlichen Organisation kam mit Jahren. Wie man sagt: mit der Erfahrung. Als die heimischen Deutschen mit ihren ganzen Familien begannen auszureisen, wollten wir mehr über die Traditionen und das Alltagsleben unserer Deutschen erfahren, die Erinnerung an die Menschen des Kirchendorfes bewahren, der jüngeren Generation vom Leben unserer Großeltern erzählen sowie die Sprache und Kultur der Russlanddeutschen erlernen.

So begann die russische Kultur mit der deutschen zu verschmelzen, da die Arbeit des ländlichen Kulturhauses eng mit den Tätigkeiten des Zentrums der deutschen Kultur „Veilchen“ verbunden ist.

RD: Warum wurde ein so interessanter Name für das Zentrum der deutschen Kultur gewählt?

J. Z.: Erstens bin ich selbst sehr vernarrt in Veilchen. Zweitens waren Veilchen zu allen Zeiten bei verschiedenen Völkern sehr beliebt und sie wurden von den besten Dichtern gepriesen. Im mittelalterlichen Deutschland gab es ein Fest zu Ehren der Veilchen – den Tag des Frühlings. Selbst der berühmte deutsche Dichter Goethe war von diesen schönen Blumen sehr angetan. Wir haben auch eine kreative ethnokulturelle Gruppe mit dem Namen „Veilchen“ im Zentrum, die theatralische und musikalische Werke von Russlanddeutschen präsentiert.

RD: Jelena, welche waren die interessantesten Jahre in der Entwicklung der Organisation?

J. Z.: Man kann schon sagen, dass die interessantesten Jahre in der Partnerschaft mit dem Internationalen Verband der deutschen Kultur die waren, als der IVDK die Dachorganisation für alle unsere Begegnungszentren im Deutschen Nationlrajon wurde. Es waren auch die interessanten und vielfältigen Projektaktivitäten, die für Menschen unterschiedlichen Alters organisiert werden sowie gewaltige Möglichkeiten für die berufliche Entwicklung der Mitarbeiter des Zentrums der deutschen Kultur. Die Qualität der ethnokulturellen Veranstaltungen in unserem „Veilchen“ ist gestiegen und das Ansehen unseres Zentrums bei der Bevölkerung von Nikolajewka und dem Deutschen Nationalrajon hat sich erhöht.

Obwohl ich Russin bin, ist mir die deutsche Kultur sehr ans Herz gewachsen. Nachdem ich 36 Jahre lang in Nikolajewka unter der deutschen Bevölkerung gelebt und viele Generationen von Russlanddeutschen großgezogen habe, denke ich, dass ich meine Mission als Leiterin des Zentrums vollbracht habe. Ich verstehe, wie wichtig es ist, die Geschichte seiner eigenen kleinen Heimat und die Kultur der Menschen, die man sehr respektiert, zu bewahren.

RD: Welche Tätigkeitsbereiche und Projekte haben sich in den 25 Jahren produktiver Arbeit als besonders wichtig erwiesen?

J. Z.: Jedes Begegnungszentrum hat seine eigenen Besonderheiten und eine bestimmte Richtung entwickelt. Die wichtigsten und erfolgreichsten Bereiche unserer Tätigkeiten sind der Sprache und ethnischen Kultur gewidmet. Die Arbeit mit Kindern, Jugendlichen und der älteren Generation der Russlanddeutschen sowie die Bewahrung der Sprache und der Traditionen sind ein fester Bestandteil vom „Veilchen“ geworden.

Die Vertreter von Traditionen sind in der Regel Vertreter der älteren Generation. Viele Einwohner von Nikolajewka nehmen aktiv an den Veranstaltungen teil, die im Format der generationenübergreifenden Treffen stattfinden.

Sie teilen ihre Erfahrungen und Erinnerungen mit jungen Menschen, nehmen an gemeinsamen ethnokulturellen Workshops, an musikalischen und literarischen Veranstaltungen sowie an nationalen Feiertagen teil. In unserem Zentrum gibt es auch die Seniorenklubs „Die Welle“ und „Der Klub des silbernen Alters“. Die Projektaktivitäten unseres Zentrums sind in erster Linie auf die Interaktion zwischen den Generationen ausgerichtet. Außerdem entwickeln wir auch Tätigkeiten in den Bereichen Museum, Ethnografie, Konzert, Tournee und Theater.

RD: Was haben Sie im letzten Jahr erreichen können?

J. Z.: Im Dezember wurde im Rahmen des Projekts „Amateurtheater“ die Verfilmung des Theaterstücks „Die kleine Hexe“ auf der Bühne in Nikolajewka präsentiert. Das Projekt wurde mithilfe eines Zuschusses des Präsidenten der Russischen Föderation realisiert. Künstlergruppen und Künstler aus den Zentren der deutschen Kultur von Nikolajewka, Kamyschi, Grischkowka, Kussak und Halbstadt nahmen an dem Projekt teil.

Zwischen Oktober und März haben wir das Projekt „Kreativer Raum“ mithilfe eines Zuschusses des Gouverneurs vom Altai im Bereich der sozial orientierten gemeinnützigen Organisation umgesetzt. Wir haben ein Pilotprojekt für einen kreativen öffentlichen Raum geschaffen, der als Plattform für junge Menschen und aktive Dorfgenossen dienen soll, um in verschiedenen Bereichen kreativ zu sein.

Das Wichtigste ist das Prinzip der Selbstorganisation seitens der Zielgruppe selbst. Wir haben eine Grundüberholung durchgeführt, neue Möbel gekauft, und unser Raum wurde gemütlich, warm und hell.

Unser Kinderklub „Theaterkiste“ wurde bei der interregionalen Leistungsschau „Wir sind Teil deiner Geschichte, Russland“ zum Preisträger der zweiten Stufe ernannt. Wir sind stolz auf unsere kleinen Stars! Auch unsere Teilnehmer des Zentrums nahmen am internationalen Förderwettbewerb der Künste „Superstars“ teil und wurden zu Preisträgern der ersten Stufe in der Nominierung „Theatralische Kreativität“ ernannt.

RD: Wie viele Deutsche sind heute in der Organisation vereint?

J. Z.: Bei uns sind Klubs der Liebhaber der deutschen Sprache und ethnokulturelle Klubs tätig, in denen 54 Personen Russlanddeutsche sind. Die Erwachsenen und die ältere Generation sind aktiv in das Leben unseres Zentrums eingebunden. Dies sind russlanddeutsche Familien, Freiwillige, Eltern von Teilnehmern der Kinderklubs und die ältere Generation des „Silbernen Alters“.

RD: Gibt es heute viele junge Menschen im Zentrum der deutschen Kultur?

J. Z.: Leider nicht mehr viele. Es sind hauptsächlich Schulkinder. Nach dem Abschluss der 11. Klasse verlassen sie das Kirchendorf, gehen auf höhere und weiterführende Bildungseinrichtungen. Dieses Jahr hatten wir keine Jugendgruppe, obwohl unsere Jugendklubs viele Jahre lang aktiv waren. Sie nahmen an regionalen Wettbewerben, Fahrradtouren und Umweltaktionen teil.

Unsere kreative Jugendgruppe „Veilchen“ war bis letztes Jahr Sieger von örtlichen und regionalen Wettbewerben und ging auf Tournee. Sie gab es damals schon zehn Jahre. Heute haben wir eine zweite Gruppe von „Veilchen“, die in einem Jahr altersgemäß in die Jugendgruppe wechseln werden.

Die jungen Leute, die wir heute in unserem Team haben, kommen uns immer zu Hilfe. Sie führen Workshops in Choreografie durch, helfen bei der Organisation von ethnokulturellen Veranstaltungen und drehen und schneiden Videos von den Veranstaltungen des Zentrums. Im Sommer, wenn die Studenten in den Ferien zurückkommen, zeigen sie, die Aktivisten vom „Veilchen“, großen Ehrgeiz.

RD: Jelena, was haben Sie zum 25-jährigen Bestehen der Organisation erreicht?

J. Z.: Unser Zentrum der deutschen Kultur „Veilchen“ gilt als eines der besten im Deutschen Nationalrajon. Wir haben viele Generation von Russlanddeutschen ausgebildet. Wir haben ein kleines, aber kreatives und verantwortungsvolles Team, auf das man sich immer verlassen kann.

Jeder von uns ist für einen anderen Bereich des Zentrums zuständig, und zusammen sind wir ein Team. Für uns ist es einfach, unsere Arbeit auszurichten und Veranstaltungen vorzubereiten. Wir haben großartige partnerschaftliche Organisationen.

Seit 25 Jahren führen wir eine riesige ethnografische Arbeit durch, um Ausstellungen von Archivdokumenten und Erzählungen über das Schicksal der Russlanddeutschen von Nikolajewka und der ehemaligen Siedlung Marjanowskoje zu schaffen. Dies sind berühmte Deutsche, die zur Entwicklung und zum Wohlstand der Region Altai beigetragen haben. Wir haben zwei Museumszimmer geschaffen, in denen eine ganze Sammlung von Haushaltsgegenständen gezeigt wird. Außerdem haben wir die Künstlergruppen „Theater+Gesang+Choreografie“ gegründet, die seit vielen Jahren erfolgreich arbeiten. Vor drei Jahren gründeten wir den Klub der aktiven Senioren „Das silberne Alter“. Seit vielen Jahren gibt es den ethnokulturellen Klub „Die Welle“ sowie Früherziehungsgruppen für Vorschulkinder.

Meiner Meinung nach ist das wichtigste Ergebnis das Ansehen des Zentrums der deutschen Kultur „Veilchen“ im Deutschen Nationalrajon und darüber hinaus. Man kennt uns und das ist wichtig. Die russische Kultur koexistiert seit 25 Jahren mit der deutschen Kultur und das ist unsere Leistung.

RD: Jelena, welche Ziele haben Sie sich für die nahe Zukunft gesetzt?

J. Z.: Die Kultur und das historische Erbe unserer kleinen Heimat weiter zu bewahren, neue Teilnehmer für das Zentrum der deutschen Kultur zu gewinnen, immer auf der Suche nach Neuem zu sein sowie innovative Methoden und Arbeitsformen anzuwenden. Wir tun unser Bestes, damit sich die Menschen in unserem Begegnungszentrum wohlfühlen. Es soll vertraut, gemütlich und interessant sein.

RD: Im Oktober feiern Sie Ihr 25-jähriges Jubiläum. Haben Sie schon einen Plan?

J. Z.: Es wird eine große Ausstellung geben, die Archivmaterialien des Zentrums der deutschen Kultur, Fotografien und eine Auswahl von Arbeiten zu den realisierten Projekten zeigen wird. Zusätzlich werden wir eine Ausstellung der nationalen Küche veranstalten und wir planen Ausflüge in die Museumszimmer. Die Veranstaltung findet im Format des Tages der offenen Tür statt. Für unsere Freunde und Gäste werden wir Workshops organisieren und ein Konzertprogramm vorbereiten.

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