Kulturhistorisches Seminar der Russlanddeutschen abgeschlossen: Wir fassen Ergebnisse zusammen


Am 9. Dezember fanden die Abschlusssitzungen der Sektionen und die Abschlussplenarsitzung des Kulturhistorischen Seminars für junge Forscher statt, die sich mit den Themen Kultur, Geschichte und Sprache der Russlanddeutschen beschäftigen. Experten und Teilnehmer schätzten die Veranstaltung sehr und äußerten ihre Ideen und Wünsche für das nächste Jahr.

Das Ziel des jährlichen Projekts ist die Bewahrung, Erforschung, Entwicklung und Popularisierung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen. In diesem Jahr fand das Kulturhistorische Seminar für Studenten, Doktoranden und junge Wissenschaftler, das vom Internationalen Verband der deutschen Kultur durchgeführt wird, zum 8. Mal statt. Das Thema des Seminars 2023 lautete „Deutsche Russlands: Entwicklungsmöglichkeiten in einem sich verändernden Umfeld“. Die Veranstaltung wurde sowohl offline im Deutsch-Russischen Haus in Moskau als auch online organisiert. Die Arbeit wurde in 9 Sektionen geführt:

1. Deutsche Russlands: vom Projekt der russischen Modernisierung bis zur Geburt eines einzigartigen Volkes (260 Jahre Einladungsmanifest Katharinas II.);

2. Praktiken der Jugendarbeit in der Projekt- und Forschungsarbeit;

3. Kultur der Russlanddeutschen: traditionelle Werte und moderne Trends;

4. Russlanddeutsche im modernen Medien und Kommunikation: Formen der Identifikation und Selbstdarstellung;

5. Museumsraum – Aufzeichnung und Darstellung des historischen und kulturellen Erbes und des verschwindenden Alltagslebens der Russlanddeutschen;

6. Rolle der Religion bei der Bewahrung der kulturellen Identität der Russlanddeutschen;

7. Sprachliches Erbe der Russlanddeutschen: Erforschung und Bewahrung der sprachlichen, kulturellen und dialektalen Vielfalt;

8. Deutsche Russlands bei der Gestaltung der heimischen Wissenschaft und des Bildungssystems und der Entwicklung nationaler Bildungsprojekte.

Projektmoderator, Historiker, Kandidat der Geschichtswissenschaften, Dozent der Staatlichen Nikolai-Tschernyschewskij-Universität Saratow Wladimir Chassin betonte in einem Kommentar für das Portal RusDeutsch die Bedeutung des Seminars als Plattform für den Gedanken- und Erfahrungsaustausch:

„An jeder Konferenz ist das Wichtigste, was einmal am Rande passiert. Dies ist eine Gelegenheit, Kontakte zu knüpfen und neue Projekte zu entwickeln.“

Wladimir Chassin wies auch auf die Bedeutung der Kommunikation zwischen etablierten Wissenschaftlern sowie Forschern und jungen Menschen hin, die gerade ihre wissenschaftliche Karriere beginnen:

„Dieses Seminar ist ein Format für die Kommunikation zwischen verschiedenen Generationen, den sogenannten intergenerationellen wissenschaftlichen und praktischen Dialog. Ein gewisser altersbedingter Korporatismus führt wahrscheinlich zu nichts Gutem, weil er uns daran hindert, uns in einer sich verändernden Welt weiterzuentwickeln, Erfahrungen auszutauschen und einander zuzuhören.

Das Einzige, was in Zukunft voll zu verwirklichen wäre, ist die Interdisziplinarität. Man müsste sicherstellen, dass Vertreter verschiedener Richtungen und Berufe miteinander in Kontakt treten können. Damit ein Kulturwissenschaftler einen Historiker und ein Ethnograph einen Medienspezialisten hören kann.“

Ein weiterer Moderator des Projekts, Aspirant des Lehrstuhls für Theorie und Geschichte des Staates und des Rechts, Forscher an der Anthropologischen Fakultät der Staatlichen Universität Tjumen, Mitglied des Rates der Föderalen National-Kulturellen Autonomie der Russlanddeutschen und JdR-Aktivist Alexei Buller schloss sich dieser Meinung an und machte den Vorschlag, einige Sektionen zu vereinen.

„Wissen kann und sollte geteilt werden“, resümierte Alexei.

Wladimir Winogradow, stellvertretender Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche des Urals, Sibiriens und des Fernen Ostens, Propst des sibirischen Bistums, nahm an der Arbeit der Sektion über die Rolle der Religion und an der allgemeinen Zusammenfassung teil. Er sprach sich auch für mehr Kommunikation zwischen Forschern verschiedener Generationen aus:

„Meiner Meinung nach ist das Kulturhistorische Seminar eine gute Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch. Sowohl für diejenigen, die bereits Erfahrung in diesen Themen haben, als auch für junge Wissenschaftler, die diese Erfahrungen sammeln möchten. Neue Methoden und neue Ideen können hier diskutiert werden.“

Im Gespräch mit dem RusDeutsch-Portal gab Expertin im Bereich Religion der Russlanddeutschen, Doktorin der Geschichtswissenschaften, Professorin des Lehrstuhls für Allgemeine Geschichte der Russischen Staatlichen Universität für Geisteswissenschaften, Direktorin des Russisch-Deutschen Bildungs- und Wissenschaftszentrums, Natalja Rostislawlewa, gab zu, dass das Seminar ihre Erwartungen voll und ganz erfüllt hat:

„In unserer Sektion gab es sehr interessante Diskussionen und wir kamen nicht immer zu einem Konsens. Aber das ist für die Wissenschaft völlig normal. Und auch junge Forscher zeigten nicht nur Interesse, sondern auch eine sehr gute Ausarbeitung ihrer Themen.

Junge Forscher haben im Allgemeinen eine etwas andere Sichtweise, und das war sehr interessant, weil es uns dazu zwang, Probleme aus einem etwas anderen Blickwinkel zu betrachten.“

Oleg Alexandrow, Doktor der Philologie und Professor der Staatlichen Universität Tomsk, der als Experte mit einem Impulsbericht in der Sektion über das sprachliche Erbe der Russlanddeutschen fungierte, teilte mit, dass er schon seit mehreren Jahren an dem Seminar teilnehme und dass er aus dieser Sicht die Dynamik des Projekts beurteilen könne. Er äußerte sein Bedauern darüber, dass die Zahl der Forscher für russischdeutsche Dialekte allmählich zurückgeht. „Trotz aller Umstände lebt dieses Thema jedoch weiter. Es gibt nicht viele Dialektologen, aber dennoch gibt es solche noch, es gibt Enthusiasten, die diese Arbeit fortsetzen, die sich dieser Sache anschließen.“ Zu den Vorteilen zählte Oleg Alexandrow auch das breite Themenspektrum, das im Sprachteil besprochen wurde.

Maria Sannikowa, Kulturwissenschaftlerin und Leiterin der Abteilung für Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen am Institut für Ethnokulturelle Bildung – BiZ, empfahl, im nächsten Jahr einen stärkeren Schwerpunkt auf Methoden zur Erhaltung und Förderung der Ethnokultur der Russlanddeutschen zu legen und forderte auch eine Stärkung des interdisziplinären Charakters des Projekts. „Natürlich waren alle, die in der Sektion waren, vom Theater fasziniert“, erzählte Maria Sannikowa.

„Das Thema der Wahrung ethnischer Identität durch Theater ist meiner Meinung nach mittlerweile auch ernst. Ich schlage vor, darauf zu achten, auch im Kontext der Aktivitäten öffentlicher Organisationen in Bezug auf Theaterkunst.

Es gibt zum Beispiel verschiedene Theaterclubs. Und über Arbeit in diesen Clubs wenden wir uns der Literatur der Russlanddeutschen zu.“

Eine der jungen Teilnehmerinnen des Seminars, Sofia Wlassowa, sprach über die Aktivitäten der Theater- und Kreativgruppe „Jugendstadt“ in sozialen Netzwerken in der Sektion, die der Identifizierung und Selbstdarstellung der Russlanddeutschen im Medienraum gewidmet war. Sofia fasste die Arbeit der Sektion zusammen und stellte fest, dass Wissenschaft „mit Impuls, mit Interesse beginnt“ und Projekte wie das Kulturhistorische Seminar dazu beitragen würden, kreatives, professionelles oder gesellschaftliches Interesse auf die wissenschaftliche Ebene zu bringen und tiefgreifende Forschung anzuregen.

Anna Blinowa, Kandidatin der Geschichtswissenschaften, Forscherin am Omsker Labor des Instituts für Archäologie und Ethnographie der sibirischen Zweigstelle der Russischen Akademie der Wissenschaften und Expertin im Bereich Museumsraum, teilte begeistert mit, dass vor allem junge Leute in ihrer Sektion aktiv waren. Sie betonte auch, dass die Forscher über moderne Methoden zur Erhaltung des historischen und kulturellen Erbes sprachen, insbesondere über die Theatralisierung und Digitalisierung von Museen.

Die allgemeine Meinung äußerte Wladimir Chassin, der in der abschließenden Plenarsitzung das letzte Wort übernahm: Er dankte den jungen Forschern von ganzem Herzen, die der älteren Generation von Wissenschaftlern „in guter Weise ein Bein stellen“.

Alle Teilnehmer und Experten des Kulturhistorischen Seminars erhielten Urkunden und Dankesbriefe. Besondere Dankesworte richteten die Organisatoren an die Zuhörer – sowohl an diejenigen, die sich online in das Seminar einschalteten und Fragen zu den Berichten stellten, die sie interessierten, als auch an diejenigen, die persönlich im Deutsch-Russischen Haus vorbeikamen und maßgeblich zur lebhaften Diskussion beitrugen.

Nach Abschluss des Seminars wurden die Teilnehmer zu Wokrshops eingeladen: Sie konnten sich entweder im Filzen versuchen oder zusammen mit Jelisaweta Retzlaff, die im Rahmen der Sprachsektion auftrat und Muttersprachlerin von Plattdeutsch ist, echte Weihnachtsplätzchen backen.

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