Frischer Wind im deutschen Dorf Im russlanddeutschen Nationalrayon Asowo soll deutsche Kultur wieder eine größere Rolle spielen   Zwar haben die Russlanddeutschen im heutigen Russland keine eigene Republik, doch gibt es für die einstigen Vertriebenen zwei deutsche Nationalrayons in Westsibirien – dort, wo sie angesiedelt waren, bevor die Sowjetunion ihnen 1918 ein Territorium an der Wolga zuwies. Die Rayons wurden Anfang der 90er Jahre gegründet. Sie gelten den Russlanddeutschen als „Inseln der Hoffnung“. Mitte Juni kamen Vertreter der deutschen und russischen Regierungen in Omsk zusammen, um die Ergebnisse des teuersten Projektes in der Geschichte der Hilfenpolitik der beiden Länder zugunsten der deutschen Minderheit zu bewerten. Sie hielten für den Rayon, den sie besuchten, fest, dass die deutschen Bräuche und die deutsche Sprache mehr gefördert werden muss.

Frischer Wind im deutschen Dorf
Im russlanddeutschen Nationalrayon Asowo soll deutsche Kultur wieder eine größere Rolle spielen
Zwar haben die Russlanddeutschen im heutigen Russland keine eigene Republik, doch gibt es für die einstigen Vertriebenen zwei deutsche Nationalrayons in Westsibirien – dort, wo sie angesiedelt waren, bevor die Sowjetunion ihnen 1918 ein Territorium an der Wolga zuwies. Die Rayons wurden Anfang der 90er Jahre gegründet. Sie gelten den Russlanddeutschen als „Inseln der Hoffnung“. Mitte Juni kamen Vertreter der deutschen und russischen Regierungen in Omsk zusammen, um die Ergebnisse des teuersten Projektes in der Geschichte der Hilfenpolitik der beiden Länder zugunsten der deutschen Minderheit zu bewerten. Sie hielten für den Rayon, den sie besuchten, fest, dass die deutschen Bräuche und die deutsche Sprache mehr gefördert werden muss.
Die diesjährige Sitzung der deutsch-russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen fand Mitte Juni in Omsk, unweit des Deutschen Nationalrayons Asowo statt und war bereits die 15. ihrer Art. Zeit für ein Resümee. Die Regierungsvertreter kamen zu dem Schluss, dass „die Ergebnisse, der von 1992 bis 2009 im Deutschen Nationalrayon Asowo durch beide Länder finanzierten Fördermaßnahmen für Russlanddeutsche positiv zu bewerten sind“. 1,2 Milliarden Rubel (27,7 Millionen Euro) flossen in dieser Zeit von russischer Seite in den Rayon. Aus Deutschland kamen rund 100 Millionen Euro dazu.
Der Deutsche Nationalrayon Asowo ist genauso alt wie die Regierungskommission für die Russlanddeutschen: Beide wurden 1992 aus der Taufe gehoben. Die Idee bei der Gründung des Rayons Asowo sowie des Deutschen Nationalrayons Halbstadt im Altai war, die Massenauswanderung der Russlanddeutschen nach Deutschland zu stoppen und auch die Probleme der Deutschen zu lösen, die aus den zentralasiatischen Republiken nach Russland kamen. Die Rayons sollten ihnen als Trost für die einstige Republik der Wolgadeutschen dienen. Sowohl die russische als auch die deutsche Regierung bemühten sich, die Rayons aufzubauen. Vor allem der Rayon im Gebiet Omsk benötigte viele Investitionen, sein Pendant im Altai verfügte bereits über die nötigte Infrastruktur. Straßen wurden asphaltiert, Betriebe und Wohnhäuser gebaut.
Auch heute noch erhält der Deutsche Nationalrayon Asowo fast die Hälfte aller Mittel aus dem russischen Föderalen Zielprogramm, die für die Siedlung der Russlanddeutschen vorgesehen sind. Im vorigen Jahr waren das 150 Millionen Rubel für die Siedlung im Omsker Gebiet. Dass so viel Mittel fließen, hat der Rayon nicht zuletzt seinem Landrat Bruno Reiter zu verdanken. „Das Bauwesen genießt Priorität in der heutigen Politik des Nationalrayons Asowo“, sagt Reiter. „Ich habe nichts gegen Kultur und Bildung, aber die Bauindustrie ist für mich sehr wichtig.“ Seine Bemühungen beim Aufbau des Rayons finden viel Anerkennung. Der Leiter der russischen Delegation der Regierungskommission Maxim Trawnikow, der auch der russische Vize-Minister für Regionalentwicklung ist, sagte nach einem Ausflug in den Rayon: „Man sieht, dass hier viel Gutes getan wurde.“ Aber in Zukunft müsse man sich auf die ethnokulturelle Entwicklung konzentrieren, also deutsche Traditionen und Sprache fördern. Natürlich gäbe es noch infrastrukturelle Probleme in den Siedlungen der Russlanddeutschen, aber sie sind im Rahmen der wirtschaftlichen Entwicklung der jeweiligen Region zu lösen, so Trawnikow.
Die deutsche Regierung ist der gleichen Meinung. „Man kann sagen, dass das Projekt ‚Deutscher Nationalrayon Asowo‘ erfolgreich war,“ meint Christoph Bergner, parlamentarischer Staatssekretär im deutschen Innenministerium. „Aber viele Russlanddeutsche sind auch weggezogen. Und es hat Brüche gegeben dadurch, dass man in der deutschen Förderpolitik nach 1998 die Investitionsmittel sehr stark reduziert hat.“
Auch der im Innenministerium für den Verlauf der Hilfenpolitik zuständige Frank Willenberg spricht über eine „erfreuliche Entwicklung“ im Rayon. Er weiß, wovon er redet, denn er beobachtet die Siedlungen schon 17 Jahre lang. „Jetzt ist in der einen oder anderen Form Feinarbeit zu leisten“, sagt Willenberg. Darunter versteht er die Rückkehr des „Deutschtums“ in die Rayons der Russlanddeutschen. Das deutsche Leben sei mehr und mehr verschwunden, während man die Infrastruktur aufgebaut habe. Für den Anfang könne man Deutsch als Muttersprache in der Schule mehr als nur drei Stunden pro Woche unterrichten.
Ungeachtet der positiven Ergebnisse für die Entwicklung des Rayons in den letzten 20 Jahren scheint es doch so, dass die Siedlung die ihr entgegengebrachten Hoffnungen nur teilweise erfüllt. Erfasste man im Nationalrayon Asowo im Jahr 1992 unter den 19 400 Einwohnern noch 60 Prozent Deutsche (in einigen Dörfern sowie zum Beispiel in Alexandrowka sogar 98 Prozent), so machten diese bei der letzten Volkszählung 2002 nur noch 30 Prozent aus. Heute gibt es in Asowo kaum noch Russlanddeutsche, die schon hier lebten, bevor die Region zum Deutschen Nationalrayon wurde.
Eine von diesen früheren Bewohnern ist Olga Wiediger, die im Juni ihr Heimatdorf Alexandrowka besuchte – und nicht wieder erkannte. „Ich habe gesehen, dass es keine Straßen gab, aber damit kann ich mich abfinden. Die Zäune stehen schief, aber auch damit kann ich mich abfinden. Aber als ich die Schule sah, die wie ein Lagerhaus aussieht, bekam ich einen Schock. Noch vor 20 Jahren war das eine Musterschule“, klagt die 39-Jährige. „Wir haben den deutschen Geist verloren. Es fehlt sogar das Minimum – zweisprachige Straßenschilder.“ Doch ein Schild gibt es noch in Asowo. Wenn man den Rayon verlässt, so steht auf diesem auch in lateinischen Buchstaben „Azovo“ geschrieben – in Deutsch müsste es „Asowo“ heißen.
Von Olga Silantjewa

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