Die Chronik der Deportation der Russlanddeutschen Die erste Welle der Deportation war vor 95 Jahren, im September 1914   Die Deportation der Russlanddeutschen fing nicht erst am 28. August 1941 an. Bereits während des Ersten Weltkrieges wurden Deutsche aus dem Westen des Russischen Imperiums in den Osten vertrieben. Am 13. Dezember 1915 hatte die russische Regierung einen Beschluss vorbereitet, nach dem die gesamte deutsche Bevölkerung des Wolga-Gebietes nach Sibirien verbannt werden musste. Die Februar-Revolution verhinderte die Umsetzung des Beschlusses (weiter lesen auf Deutsch).

Die Chronik der Deportation der Russlanddeutschen
Die Deportation der Russlanddeutschen fing nicht erst am 28. August 1941 an. Bereits während des Ersten Weltkrieges wurden Deutsche aus dem Westen des Russischen Imperiums in den Osten vertrieben. Am 13. Dezember 1915 hatte die russische Regierung einen Beschluss vorbereitet, nach dem die gesamte deutsche Bevölkerung des Wolga-Gebietes nach Sibirien verbannt werden musste. Die Februar-Revolution verhinderte die Umsetzung des Beschlusses.
1914, September. Erster Weltkrieg. Beginn der Verbannung der Russlanddeutschen aus Kongresspolen.
1914, November. Beginn der Verbannung der Russlanddeutschen aus baltischen Gouvernements.
1914, Dezember. Deportationen der Russlanddeutschen aus dem gesamten Weichselland.
1915, 19. Juni.N. Iwanow, Oberbefehlshaber der Armeen der Süd-West-Front, General der Artillerie, befahl dem Leiter des Militärkreises Kiew, in den Kolonien Geiseln aus der deutschen Bevölkerung zu nehmen (im Verhältnis 1:1000), vor allem Lehrer und Pfarrer, sie bis zum Kriegsende in Gefängnissen einzusperren, die gesamten Lebensmittel der Kolonisten bis auf eine bis zur neuen Ernte ausreichende Menge zu beschlagnahmen und in den deutschen Kolonien Flüchtlinge zu unterbringen. Deutsche, die sich weigerten, Brot oder Futter abzugeben oder Flüchtlinge aufzunehmen, wurden hingerichtet. Dies ist ein beinahe beispielloser Fall, da Geiseln aus der Bevölkerung des eigenen Landes genommen wurden.
1915, Juni-Dezember.Deportation der deutschen Bevölkerung aus der Region nahe der Frontlinie. Alle Deutschen, die westlich von Dnepr lebten, wurden in den Osten vertrieben.
1915, 13. Dezember.Die russische Regierung bereitet einen Beschluss vor, nach dem die gesamte deutsche Bevölkerung des Wolga-Gebietes nach Sibirien verbannt werden musste. Die Februar-Revolution verhinderte die Umsetzung des Beschlusses.
1915. Im Wolga-Gebiet werden alle deutschen Ortsbezeichnungen durch russische ersetzt.
1916. Deportation der deutschen Bevölkerung aus den von den russischen Truppen im Zuge der sogenannten Brussilow-Offensive besetzten Gebieten.
1926.Die sogenannten „ehemaligen Grundbesitzer“, d.h. wohlhabende Bauern, die Landstücke ab 65 Hektar (je nach Region) besaßen, werden aus deutschen Dörfern in entfernte Regionen des Landes vertrieben. Allein in der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen waren mehr als 150 Familien betroffen.
1929-1933. „Entkulakisierte“ deutsche Familien werden aus deutschen Dörfern in entfernte Regionen der Sowjetunion vertrieben. Viele Tausende von Familien waren betroffen. Allein aus der Autonomen Sozialistischen Sowjetrepublik der Wolgadeutschen wurden 1930-1931 4288 Familien (24402 Menschen, d.h. 3,7 % der Gesamtbevölkerung der Republik der Wolgadeutschen) verbannt. Die „Kulaken“ kamen zu den Bewohnern der Arbeitssiedlungen im Osten des Landes dazu.
1934-1935. In der Sowjetunion wirdeine gegen Sowjetdeutsche gerichtete Kampagne zum „Kampf gegen Faschisten und deren Gehilfen“ durchgeführt. Als Faschisten wurden diejenigen bezeichnet, die Hilfe aus dem Ausland erhielten und weiterleiteten, als deren Gehilfen - diejenigen, die diese Hilfe nutzten. Gegenüber den deutschen Bürgern der Sowjetunion wurde ein physischer und moralischer Terror ausgeübt. Hunderte von Menschen wurden erschossen, Tausende wurden in Lager verbannt. In der Ukraine wurden allein im Jahre 1935 24,9 Tausend Deutsche von den Repressionen betroffen.
1936, 28. April. Der Rat der Volkskommissare der Sowjetunion fasst einen streng geheimen Beschluss Nr. 776-120 сс „Über die Aussiedlung von 15 000 polnischer und deutscher Haushalte aus der Ukrainischen SSR und deren Verlagerung in das Gebiet Karaganda der Kasachischen SSR“. Nach diesem Beschluss wurden 45 000 „politisch unzuverlässige“ Bürger der polnischen und deutschen Nationalität in Arbeitssiedlungen untergebracht.
1937-1938. „Deutsche Operation“ des NKWD. Das Ziel: „Liquidierung der Spionagebasis des faschistischen Deutschlands in der Sowjetunion“. Im Zuge der Operation wurden in Russland über 70 000 Deutsche vertrieben, im Durchschnitt 76,14 % wurden erschossen. Andere landeten im GULAG. Mit der „deutschen Operation“ des NKWD erreichte die Repressionspolitik der Sowjetunion gegenüber der deutschen Bevölkerung in den 30er Jahren ihren Höhepunkt.
1941, 22. Juni. Beginn des Großen Vaterländischen Krieges.
1941. August. Aussiedlung von 53 000 Deutschen aus der Krim in den Nordkaukasus, angeblich als notwendige Evakuierung. Später wurden sie zusammen mit nordkaukasischen Deutschen weiter nach Osten vertrieben.
1941. August-September. Aus Leningrad und Umland werden 96 000 Menschen finnischer und deutscher Nationalität vertrieben.
1941, 26. August. Der Rat der Volkskommissare der Sowjetunion und das Zentralkomitee der Kommunistischen Partei fassen den Beschluss „Über die Umsiedlung von allen Deutschen aus der Republik der Wolgadeutschen und den Gebieten Saratow und Stalingrad in andere Gebiete und Kreise“.
1941, 28. August. Das Präsidium des Obersten Rates der Sowjetunion erlässt den Beschluss „Über die Umsiedlung der im Wolga-Gebiet lebenden Deutschen“, in dem die Wolgadeutschen offiziell der Feindbegünstigung beschuldigt werden.
1941, 31. August. Beschluss des Politbüros des Zentralkomitees der Kommunistischen Partei „Über die auf dem Territorium der Ukrainischen SSR lebenden Deutschen“. Demnach müssen alle deutschen Männer im Alter von 16-60 Jahren in Baubataillonen in Arbeitslager Urals und Kasachstans geschickt werden. Über 18 600 Menschen wurden mobilisiert. Der schnelle Vormarsch der deutschen Truppen nach Osten hat eine weitere Mobilisierung verhindert. Die mobilisierten Deutschen aus der Ukraine gehörten zum ersten Kontingent der Trudarmee.
1941, 3.-20. September. Deportation der deutschen Bevölkerung aus dem Wolga-Gebiet nach Sibirien und Kasachstan. Offiziellen Statistiken zufolge wurden aus der Autonomen Republik der Wolgadeutschen 373 529 vertrieben, außerdem 46 706 – aus dem Gebiet Saratow, 26 245 – aus dem Gebiet Stalingrad. Am 7. September wird das Territorium der Republik der Wolgadeutschen gemäß dem Beschluss des Präsidiums des Obersten Rates der Sowjetunion zwischen den Gebieten Saratow und Stalingrad geteilt.
1941, 7. September. Der Volkskommissar der Verteidigung Josef Stalin befiehlt, alle Deutschen aus der Roten Armee zu entlassen und in die Trudarmee zu schicken. Dies vollzog sich bis zum Jahresende. Etwa 15 000 Soldaten der deutschen Nationalität bildeten das zweite Kontingent der Trudarmee.
1941, September. Aussiedlung der Deutschen aus Moskau und Umgebung und aus dem Gebiet Rostow.
1941, September-Oktober. Aussiedlung der Deutschen aus den Gebieten Tula, Krasnodar und Ordschonikidse, aus den autonomen Republiken Nordossetien und Kabardino-Balkarien sowie aus den östlichen Gebieten der Ukraine.
1941, Oktober. Aussiedlung der Deutschen aus dem Gebiet Woronesch, aus den autonomen Republiken Tschetscheno-Inguschetien und Dagestan sowie aus Transkaukasien.
1942, 10. Januar. Beschluss des Staatlichen Verteidigungskomitees der Sowjetunion über die Masseneinziehung der Deutschen zur Trudarmee. Masseneinziehungen erfolgten außerdem nach den Beschlüssen vom 14. Februar 1942 und vom 7. Oktober 1942 (demnach wurden auch Frauen zur Trudarmee einberufen) sowie im Mai-September 1943. Die Trudarmee existierte bis zum März 1946. Mehr als 316 000 deutsche Männer und Frauen wurden mobilisiert, über 60 000 starben.
1945, Januar. Sondersiedlungen erhalten rechtlichen Status. Sonderkommandaturen werden gegründet.
1948, 26 . November. Das Präsidium des Obersten Rates der Sowjetunion erlässt den Beschluss „Über strafrechtliche Verantwortung für die Flucht aus den Orten der obligatorischen und ständigen Ansiedlung der während des Vaterlandskrieges in die entfernten Gebiete der Sowjetunion ausgesiedelten Personen“. Der Beschluss sieht eine universelle Strafmaßnahme vor – 20 Jahre Zwangsarbeit.
1955, 13. Dezember. Das Präsidium des Obersten Rates der Sowjetunion erlässt den Beschluss „Über die Aufhebung der Beschränkungen in der rechtlichen Lage der Deutschen und deren Familien, die in Sondersiedlungen untergebracht sind“. Der Beschluss verbietet den Deutschen an die Orte zurückzukehren, wo sie vor der Deportation lebten.
1964, 29 August. Der Beschluss des Präsidiums des Obersten Rates der Sowjetunion „Über Änderungen im Beschluss des Präsidiums des Obersten Rates der Sowjetunion vom 28. August 1941 „Über die Umsiedlung der im Wolga-Gebiet lebenden Deutschen“ werden die Wolgadeutschen von den „unbegründeten Beschuldigungen“ der Feindbegünstigung befreit. Ihre Rückkehr ins Wolga-Gebiet und an andere Vorkriegswohnorte, sowie die Wiederherstellung ihrer Autonomie sieht der Beschluss jedoch nicht vor.
1972, 3. November. Das Präsidium des Obersten Rates der Sowjetunion verabschiedet den Beschluss „Über die Aufhebung der ehemals für bestimmte Bürgerkategorien vorgesehenen Einschränkungen in der Wahl des Wohnortes“. Russlanddeutsche erhalten 31 Jahre nach Deportation das Recht an ihre Vorkriegswohnorte zurückzukehren.
Verfasst von Prof. Arkadij German

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