Vertreter deutscher Minderheiten aus Zentral-, Ost- und Südeuropa sowie aus den GUS-Ländern setzten sich während der Sprachkonferenz im rumänischen Hermannstadt/Sibiu, die vom 16. bis 18. Juni stattfand, mit der identitätsstiftenden Rolle der deutschen Sprache auseinander. Ein Artikel von Lena Steinmetz (Übersetzung aus dem Russischen)
Vertreter deutscher Minderheiten aus Zentral-, Ost- und Südeuropa sowie aus den GUS-Ländern setzten sich während der Sprachkonferenz im rumänischen Hermannstadt/Sibiu, die vom 16. bis 18. Juni stattfand, mit der identitätsstiftenden Rolle der deutschen Sprache auseinander.
Ein Artikel von Lena Steinmetz
(Übersetzung aus dem Russischen)
„Mein Vater ist Siebenbürger Sachse, meine Mutter ist Ungarin, sie ging aber auch auf eine deutsche Schule, deshalb war Deutsch immer die Hauptsprache bei uns zu Hause gewesen“ – auf die Frage nach ihrer Herkunft reagiert die 50-jährige Beatrice Ungar mit leichter Verwunderung, so, als ob an dieser nichts Besonderes wäre. Sie ist rumänische Bürgerin und die Hauptredakteurin der deutschsprachigen „Hermannstädter Zeitung“. Deutsch ist für sie „natürlich Muttersprache“.
Inwiefern Deutsch für Rumäniens Deutsche tatsächlich „natürliche Muttersprache“ ist, wollte man im Amt von Dr. Christoph Bergner, des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, herausfinden. Auf seine Initiative und in Zusammenarbeit mit der Hanns-Seidel-Stiftung und des Auswärtigen Amtes sowie mit der Unterstützung des Demokratischen Forums der Deutschen in Rumänien wurde in Hermannstadt vom 16. bis 18. Juni die Sprachkonferenz „Deutsch als Identitätssprache der deutschen Minderheit in Ost-, Ostmittel- und Südosteuropa sowie den Nachfolgestaaten der Sowjetunion" veranstaltet.
„Diese Konferenz ist eine Art großes Familientreffen, zu dem sich Mitglieder einer großen Familie aus verschiedenen Ländern eingefunden haben“, sagt Christoph Bergner, der tatsächlich fast alle Teilnehmer persönlich kennt. Seine Erwartungen an diese Veranstaltung sind verständlich: die Vertreter deutscher Minderheiten aus verschiedenen Ländern sollten einander wie auch ihre Partnerorganisationen aus Deutschland, die sie unterstützen, kennen. Gleichzeitig ist der direkte Kontakt auch für die Partnerorganisationen von großem Nutzen: So können sie über die Bedürfnisse und Meinungen der deutsche Minderheiten aus erster Hand erfahren. Christoph Bergner ist sich sicher, dass eine solche Kommunikation beiden Seiten helfen wird, einander besser zu erreichen und zu verstehen.
Der Veranstaltungsort für die Konferenz wurde nicht zufällig gewählt – etwa 39.000 Deutsche leben heute in Rumänien. Das kulturelle Zentrum der so genannten Siebenbürger Sachsen, der ältesten der heute existierenden deutschen Minderheiten in Osteuropa, war lange Hermannstadt. Zu Beginn der 90er Jahre lebten hier etwa 20.000 Deutsche. Einer von ihnen ist Klaus Johannis, der erste deutsche Bürgermeister in Rumänien. Nicht zuletzt dank seiner Bemühungen bleibt Hermannstadt auch heute eine deutsche Stadt. Wöchentlich erschient hier die deutschsprachige „Hermannstädter Zeitung“. Es gibt deutsche Kindergärten und Schulen, wo Deutsch als Muttersprache unterrichtet wird. Wie beispielsweise das Samuel-von-Brukenthal-Gymnasium, dessen Abschluss eine Hochschulzugangsberechtigung für alle Hochschulen Deutschlands bietet. Außerdem gibt es hier ein Ausbildungszentrum für deutschsprachige Lehrer und Erzieher, spezielle Hochschulprogramme auf deutsch sowie evangelische und katholische Kirchen. Die Deutschen in Rumänien können einiges vorzeigen und erzählen ihren Kollegen aus anderen Ländern gern darüber, wie sie es heute schaffen, die Sprache und die Kultur ihrer Minderheit zu bewahren.
„Wenn ich unsere Situation, die Situation der Ungarndeutschen, mit der Situation der Rumäniendeutschen vergleichen würde, vor allem die institutionellen Bedingungen, dann würde ich sagen, dass die Lage in Rumänien viel besser ist“, – sagt Ibolya Hock-Englender, Vorsitzende des Bildungsausschusses der Landesselbstverwaltung der Ungarndeutschen, Direktorin des Valeria-Koch-Bildungszentrums in Pécs. „Wenn ich allerdings die Anzahl der Menschen hier, die von diesen institutionellen Bedingungen Gebrauch machen können, betrachte,“ – führt sie fort – „dann würde ich sagen, die Ungarndeutschen stehen besser da. Nach der letzten Volkszählung sprechen wir von 180.000 Ungarndeutschen. Wir haben momentan viel mehr Menschen, Schüler und Kinder, die der deutschen Minderheit angehören und bei unseren Sprachprogrammen mitmachen. Auch im Vergleich mit anderen deutschen Minderheiten sehe ich Ungarn eher vorne. Aber das heißt nicht, dass wir uns zufrieden geben können.“
Weniger rosig sieht die Lage der Deutschen in den GUS-Ländern aus, besonders im Vergleich mit ihren Kollegen in Europa. Nach ihren eigenen Angaben, welche auch Christoph Bergner bestätigt, lässt sich diese Lage in erster Linie durch die spezifische Situation der deutschen Minderheit hier erklären, welche in Laufe mehrerer Jahrzehnte entstand. „In Kasachstan leben heute 200.000 Deutsche, von denen aber nur 0,2 % von verschiedenen Sprachprogrammen umfasst werden,“ erzählt Tatjana Owtscharowa, Multiplikatorin des Instituts für ethnokulturelle Bildung BIZ in Karaganda: „Klar können wir uns mit den europäischen Ländern nicht messen. Selbst die Motivation zum Erlernen der deutschen Sprache ist hier eine gänzlich andere. Wenn in Europa viele Deutsch lernen, um ihre berufliche Situation zu verbessern, so ist vielen hier gar nicht klar, warum sie Deutsch lernen sollten, wenn sie nicht wissen, wo sie es später anwenden können.“ Dies ist für Tatjana Owtscharowa jedoch noch lange kein Grund, zu resignieren. Ganz im Gegenteil: „Das erfolgreiche Beispiel Rumäniens wirkt motivierend. Jetzt sehe ich unsere Probleme viel klarer und kann besser verstehen, was genau wir in unserer Arbeit verändern müssen. Wir sollten den Schwerpunkt ganz deutlich auf die strukturelle Kontinuität der Spracharbeit legen – Kindergarten, Schule, außerschulisches Freizeitangebot, Hochschule. All das muss ein einheitliches System werden. Und da sind für uns die Erfahrungen unserer Kollegen aus Europa äußerst wertvoll“.
Der Erfahrungsaustausch – das Hauptziel der Konferenz – wurde auch außerhalb der offiziellen Sitzungen aktiv fortgeführt. Deutsche aus Russland, Kroatien, Polen, Usbekistan und anderen Ländern diskutierten über die möglichen Entwicklungsperspektiven in ihrer Arbeit. Sowohl die Organisatoren wie auch die Teilnehmer der Konferenz waren sich einig darüber, dass solche Treffen mehr als nötig sind. „Trotz des großen Unterschieds in der Lage der deutschen Minderheiten in verschiedenen Ländern und dementsprechend auch in der Spracharbeit, haben wir alle ein gemeinsames Ziel – unsere Sprache zu erhalten“, betonte Olga Martens, erste stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbands der deutschen Kultur (IVDK) aus Moskau.
Nach Abschluss der Konferenz wird für Beatrice Ungar wieder die „Hermannstädter Zeitung“ im Mittelpunkt stehen, die wie immer freitags erscheinen wird. Beatrice Ungar weiß, wie sehr ihre Landsleute – die Siebenbürger Sachsen – die nächste Ausgabe der Zeitung erwarten, welcher sie bereits gut die Hälfte ihres Lebens widmete: Im September 2013 wird sie ihr 25. Jubiläum bei der Hermannstädter Zeitung feiern.
Das Original des Artikels in der Moskauer deutschen Zeitung