Zusammen mit dem Internationalen Verband der deutschen Kultur, der mehr als 500 öffentliche Organisationen der Russlanddeutschen vereint, werden 20 Organisationen ihre Jubiläen feiern. Darunter auch das im Jahre 1996 gegründete Zentrum der deutschen Kultur des Stadtkreises Krasnosjorsk im Gebiet Nowosibirsk.
Das Zentrum der deutschen Kultur feiert bald sein 25-jähriges Bestehen. Wir sprachen mit der Leiterin Anna Dodonowa über die allseitige Unterstützung ihrer Initiativen und darüber, wie es dem Zentrum gelungen ist, in schwierigen Zeiten zu einer Insel der Hoffnung für 12.000 Russlanddeutsche zu werden.
RD: Anna, wie, wann und von wem wurde das Zentrum der deutschen Kultur im Stadtkreis Krasnosjorsk gegründet?
A. D.: Bereits im Jahre 1996 wurde die Idee, ein ZDK zu eröffnen, von W. Rybel, dem Leiter der Kulturabteilung, A. Holodjajew, dem Oberhaupt des Stadtkreises und A. Babusenko, dem Leiter der Verwaltung, unterstützt. Zu der Zeit lebten mehr als 12.000 Deutsche in unserem Stadtkreis und wir waren nach der russischen Bevölkerung die zweitgrößte Volksgruppe. Der erste Direktor des deutschen Hauses im Gebiet war Alexandr Winter.
Bei dem Kreisrat wurde meine Kandidatur für den Posten des Direktors des ZDKs genannt. Damals arbeitete ich als Lehrerin an der nach F. Anisitschkin benannten Schule Nr. 2 und zweifelte natürlich lange Zeit an dieser Möglichkeit. Mir war klar, dass es schwierig sein würde, die Menschen auf unsere Seite zu stellen und ihnen den Glauben zu geben, dass wir für sie da sein werden.
Bis 1996 war es uns quasi untersagt, uns zu treffen und auf unserer deutschen Muttersprache zu sprechen. Tief in uns steckte der Wunsch, unserem Volk zu helfen, sich zu öffnen und ihre Kultur zu zeigen. Unser Zentrum der deutschen Kultur ist eine Insel der Hoffnung auf eine bessere Zukunft. Nachdem ich alles abgewogen hatte, traf ich mich mit Deutschen aller Altersgruppen und wir beschlossen, dass das Zentrum der deutschen Kultur existieren sollte.
So wurde ich am 18. Oktober 1996 zur ersten Leiterin des wunderbaren Hauses ernannt. Der Direktor der Schule und der Generalkonsul des deutschen Konsulats in Nowosibirsk halfen uns mit den Räumlichkeiten. Uns wurden Finanzmittel zugewiesen und wir machten uns zusammen mit den deutschen Bauarbeitern an die Arbeit. Es wurde von 6 Uhr morgens bis tief in die Nacht hinein gearbeitet, denn wir mussten die Frist einhalten. Die Freude war unglaublich groß, als die Renovierung beendet wurde und wir unsere Landsleute begrüßen konnten! Doch während für die Bauarbeiter die Arbeit beendet war, fing sie für mich gerade erst an. Uns besuchten durchgehend viele Menschen. Es war eine einzigartige Gelegenheit, sich zu treffen, sich an die Muttersprache zu erinnern, deutsche Lieder zu singen und einfach bei einer Tasse Tee über das Leben zu reden.
RD: Es ist das Jahr 1996. Die Zeit, als die Russlanddeutschen nach Deutschland ausreisten. Ist es dem Zentrum der deutschen Kultur gelungen, Menschen zu vereinen und einen Anziehungspunkt für die einheimischen Deutschen zu schaffen?
A. D.: Das Zentrum ist zu einem Treffpunkt für alle Russlanddeutsche geworden. Hier veranstalten wir verschiedene Treffen, Literaturklubs und Runde Tische. Die Deutschen, die nach Deutschland ausreisten, nahmen ein Stück unserer Warmherzigkeit mit. Jedes Mal, wenn sie hier herkommen, besuchen sie unser Zentrum, das zu ihrem Zuhause geworden ist. Heute besuchen uns alle, die in unserem Stadtkreis leben und auch Besucher unserer Siedlung.
Wir können uns ein Leben ohne das Zentrum der deutschen Kultur nicht vorstellen! Wir möchten uns bei Heinrich und Olga Martens bedanken, die uns sehr helfen und unsere Initiativen unterstützen. Wenn wir zu ihnen hinaufschauen, wollen wir noch härter arbeiten und den Erwartungen unseres Volkes gerecht werden.
RD: Welche waren die interessantesten Jahre in der Entwicklung der Organisation?
A. D.: Es ist schwierig, ein bestimmtes Jahr hervorzuheben. Jedes Jahr ist ein Jahr der Ideen, der Inspirationen und der Erfüllung von Aufgaben des eigenen Volkes. Jedes Jahr ist wertvoll. Wenn ich zurückblicke, wird mir klar, wie viel getan wurde und wie viel ich noch nicht geschafft habe!
Mit der Eröffnung des Zentrums der deutschen Kultur in unserem Stadtkreis in der Kulundasteppe wurde eine katholische Auferstehungskirche gebaut. Bischof Josif Wert von Westsibirien und die Priester Francesco und Bilotos haben mir dabei sehr geholfen. All dies erfolgte mit der Unterstützung der Bezirksverwaltung. Im Zentrum der Siedlung haben wir einen Gedenkstein für die Opfer der politischen Verfolgung errichtet. Ich habe meinem Volk bei der ersten Sitzung versprochen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um alles, was uns lieb und teuer ist, zu erhalten. Es gab zu viele Schwierigkeiten und es musste zu viel ertragen werden, aber ich habe immer von meinem Volk gelernt, und ich lerne weiterhin von ihrer Widerstandsfähigkeit, ihrer Geduld, ihrem Optimismus und ihrer Liebe.
RD: Anna, welche Tätigkeitsbereiche und Projekte haben sich in den 25 Jahren produktiver Arbeit als besonders wichtig erwiesen?
A. D.: Wir veranstalten interessante Sprachprojekte. So sind z. B. die ethnokulturellen Sprachtreffen für Kinder und Jugendliche ein ständiger Erfolg. Wir haben die deutsche Sprache in 25 Schulen unseres Stadtkreises wiederbelebt und es ist die erste Fremdsprache, die gelernt wird. Schon seit vier Jahren haben wir in Kindergärten Gruppen zum frühen Erlernen der deutschen Sprache. An sechs Schulen im Stadtkreis gibt es Klubs der Freunde der deutschen Sprache. Auch erinnere ich mich an unsere großen Festivals „Wolga - Die Wiege der Russlanddeutschen“ und „Wir sind Teil deiner Geschichte, Russland. Wir sind dein Volk!“. Derzeit sammeln wir Materialien über die Trudarmisten. Wir wollen es rechtzeitig zum 80. Jahrestag der Deportation schaffen.
Dazu einige Zahlen. Innerhalb von 25 Jahren haben wir 1180 Sprachklubs für Kinder, Jugendliche und Erwachsene organisiert. Um die 20.500 Menschen waren als Gasthörer bei unseren Sprachklubs anwesend. In diesem Zeitraum haben wir 18 Sprachplattformen für Kinder und zwei ethnokulturelle Sprachtreffen organisiert, an denen mehr als 3.000 Menschen teilgenommen haben.
RD: Wie viele Deutsche sind heute in Ihrem Zentrum der deutschen Kultur vereint?
A. D.: Heute leben mehr als 5.000 Russlanddeutsche in unserem Stadtkreis. Ich bleibe mit ihnen allen über die sozialen Medien in Kontakt, und einmal im Monat besuche ich mit Priester Francesco die Kranken. Ich versuche immer auf dem neuesten Stand zu sein. Alle Deutschen haben meine Kontaktdaten und wir sind immer in Verbindung.
RD: Welche Namen Ihrer regelmäßigen Unterstützer, Gleichgesinnten und Freunde möchten Sie hervorheben? Wer hat die Entwicklung der Organisation unterstützt? Wer ist immer an Ihrer Seite?
A. D.: Mein Volk ist immer an meiner Seite: O. Semjonowa, das Oberhaupt des Stadtkreises; B. Luzkij, das Oberhaupt der Siedlung; N. Babusenko, der Vorsitzende des Bezirksrates der Volksdeputierten; T. Daniljukowa, die Leiterin der Sozialen Sicherheit der Bevölkerung; und I. Tscheha, die Direktorin des Museums für Heimatkunde im Stadtkreis. Darüber hinaus sind E. Kin, A. Weiß, A. Besginow, Priester Francesco und alle Deutschlehrer des Stadtkreises stets hilfsbereit. Ich bin stolz auf mein Volk!
RD: Anna, welche Projekte planen Sie bis zum Ende dieses Jahres umzusetzen?
A. D.: Das größte Projekt ist dem 80. Jahrestag der Deportation gewidmet. Wir müssen die Materialien über die Trudarmisten sammeln, die einen großen Beitrag zur Entwicklung des Stadtkreises Krasnosjorsk geleistet haben.
RD: Wie planen Sie das 25-jährige Jubiläum zu feiern?
A. D.: Das Jubiläum wird in den Räumlichkeiten des Zentrums der deutschen Kultur gefeiert. Kommt gerne vorbei! Wir würden uns über ein Treffen in Krasnosjorsk freuen!
Übersetzt aus dem Russischen von Evelyn Ruge