Tatjana Smirnowa über die Volkszählung in Russland

Zum dritten Mal in der postsow­jetischen Geschichte Russlands wird im größten Land der Erde ab Mitte Oktober das Volk gezählt. Was ist dabei aus russlanddeutscher Sicht zu erwarten und welche Faktoren beeinflussen das Ergebnis? Die Historikerin Tatjana Smirnowa (58) aus Omsk forscht seit Jahrzehnten zur Ethnografie der Russlanddeutschen. Die MDZ hat mit ihr gesprochen.

Die Volkszählung von 2002 ergab, dass in Russland 597.212 Deutsche leben. 2010, bei der nächsten Volkszählung, waren es nur noch 394.138. Was ist Ihre Prognose für dieses Mal?

Man kann davon ausgehen, dass die Zahl weiter gesunken ist. Dafür gibt es mehrere Gründe. Der wichtigste ist die doppelte Identität der Russlanddeutschen.

Bei den meisten derer, die in Russland geblieben sind, war nur ein Elternteil deutsch. Sie können wählen, welche Nationalität sie angeben. Wer in der Stadt lebt, unter Russen, der bezeichnet sich bei der Volkszählung auch selbst als Russe.

Das trifft nicht nur auf die Deutschen zu. Schauen Sie sich die Ergebnisse von 2010 an: Fast alle Völker Russlands sind gegenüber 2002 geschrumpft, selbst die mit nationalen Republiken.

Sind 300.000 Deutsche im Ergebnis der Volkszählung eine realistische Größenordnung?

So traurig das ist, aber ich rechne eher mit 200.000 bis 250.000. Ich irre mich da gern und freue mich, wenn es am Ende 300.000 sind.

Sie erwähnten, dass die Möglichkeit besteht, mehrere Nationalitäten anzugeben.

Ja, in die Antwortzeile der Spalte „Nationalität“ kann jeder durch Komma getrennt so viele Nationalitäten eintragen, wie er für richtig hält. Wenn der Vater Deutscher ist und die Mutter Russin, dann schreibt man üblicherweise: „Deutscher, Russe“.

Es ist sehr gut, dass diese Möglichkeit eingeräumt wird. In anderen Ländern, besonders in multiethnischen wie den USA, gibt es das schon lange.

Lesen Sie den vollständigen Bericht in der Moskauer Deutschen Zeitung.

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