Museumsraum im Zentrum der deutschen Kultur „Heimweh“ im Gebiet Nowosibirsk


Das Zentrum der deutschen Kultur „Heimweh“ besteht seit 1997 im Bezirk Kupinski des Gebietes Nowosibirsk. Seit 5 Jahren wird es vom Deutschlehrer Andrei Schmidt geleitet. In dieser Zeit wurden Veranstaltungen unterschiedlichen Umfangs und Formats organisiert. Besonders schätzt davon der Leiter die Fotoausstellung „Wir sind Teil Deiner Geschichte, Russland, wir sind Dein Volk, wir sind Deine Kinder“, die dem Jahrestag der Deportation gewidmet war, sowie das jährliche Sommertreffen für Schüler „Der fröhliche Sommer“.

Ein großer Liebhaber der Kunst, macht Andrei gerne die Besucher des Begegnungszentrums, darunter auch seine Schüler, mit Werken der russlanddeutschen Künstlerinnen und Künstler bekannt. So fand im Jahr 2022 eine Ausstellung mit Reproduktionen von Gemälden von Künstlern aus der Anthologie „Unter Sonne und Mond“ statt. Daneben wurde ein kreatives Projekt zum Malen und Färben von Gemälden nach Zahlen. Als Bilder dienten Peter Dicks Gemälde „Der Mönchschor“, „Engel“ und „Einsamkeit“.

Im Jahr 2024 wurde die Arbeit an der Gestaltung einer Museumsausstellung die Hauptaufgabe.

Andrei, erzählen Sie uns bitte, wie Sie auf die Idee kamen, einen Museumsraum zu gestalten?

Ein gusseisernes Waffeleisen, Spruch, Wassermelonenhonig, Kreblen sind einige der wenigen ethnischen Merkmale, an denen man Russlanddeutsche erkennen kann.

Die Museumsausstellungen ermöglichen es Ihnen, sich mit der Geschichte und Kultur einer ethnischen Gruppe vertraut zu machen, der Sie angehören oder deren Geschichte Sie kennenlernen möchten. Ein Gefühl des Respekts für die Geschichte des Vaterlandes als ganzheitliches System und nicht nur für das Leben einer ethnischen Gruppe wecken.

Genau diese Ziele habe ich mir zu Beginn des Sommers 2024 gesetzt, als die Idee entstand, einen Ausstellungsmuseumsraum im Zentrum der deutschen Kultur zu schaffen.

Das lokale Kulturhaus hat Räumlichkeiten für die Austellung bereitgestellt. Nach organisatorischen Arbeiten und kleineren Schönheitsreparaturen konnte mit der Layouterstellung und Gestaltung begonnen werden.

Die Idee bestand darin, die wichtigsten Momente des Lebens der Deutschen in Russland zu zeigen und ihre Identität, Geschichte und Kultur zu präsentieren. Die Dekoration der Wände bezieht sich auf das Design des Deutsch-Russischen Hauses in Moskau. Im Saal „Berlin“ gab es auf Plastik gedruckte Fotografien. Mir gefiel dieses Format und ich beschloss, es zu reproduzieren. Mit den ausgewählten Bildern wurde ein Wandlayout erstellt, anschließend wurden alle Fotos auf Plastik gedruckt. Jedes Bild hat Unterschriften auf Russisch und Deutsch.

Dieser Raum kann in vier Themen unterteilt werden: Kolonisten, Religion, Leben vor der Revolution und die Autonome Sozialistische Sowjetrepublik der Wolgadeutschen. Die Mittelwand ist mit einer Reproduktion des Gemäldes „Porträt Katharinas II.“ von Fjodor Rokotow gekrönt.

Den ganzen Sommer über füllten wir den Raum mit Ausstellungsgegenständen. Die Spender waren Bewohnerinnen und Bewohner des Bezirks Kupinski, Deutsche aus Kaliningrad und dem Wolgagebiet, den Städten Samara und Saratow.

Der Museumsraum befindet sich im Gebäude des lokalen Kulturhauses. Und das ist kein kleines Zimmer, sondern ein Raum im Vordergrund der Zentren nationaler Kulturen. Ich wollte eine interessante Dekoration machen. Da Russlanddeutsche keine Weiden- oder Bretterzäune installierten, sondern einen Lattenzaun bauten, wurde beschlossen, den Museumsraum mit einem solchen weißen Zaun abzugrenzen.

An der Säule vor dem Eingang zum Raum hängen die Originalmünzen aus meiner eigenen Sammlung. Eine für die Regierungsperiode jedes Herrschers, der eine wichtige Rolle im Leben der Russlanddeutschen spielte.

Hier ist eine Silbermünze aus der Regierungszeit von Iwan dem Schrecklichen: Auf Beschluss von Iwan dem Schrecklichen wurde eine deutsche Siedlung gegründet, die Kukui hieß. Ein Rubel aus der Zeit von Peter dem Großen: Die Reformen von Peter I. erhöhten in Russland die Zahl der ankommenden Ausländer stark, vor allem aus den deutschen Fürstentümern. Ein Rubel aus der Zeit Katharinas II., ein Rubel aus der Zeit Pauls I.: Paul I. ergriff unmittelbar nach der Thronbesteigung aktive Maßnahmen, um die Ursachen des wirtschaftlichen Niedergangs in den Kolonien zu ermitteln und ihre wirtschaftliche Lage zu verbessern. Und ein Rubel aus der schwierigsten Wendepunktperiode im Leben der Russlanddeutschen, der Regierungszeit Alexanders II.: Die wichtigste Rolle im Schicksal der Deutschen Russlands spielte das von Alexander II. angenommene Dekret am 4. Juni 1871, wodurch alle Privilegien der Kolonisten abgeschafft wurden, die sie seit der Zeit Katharinas II. hatten. Zunächst wurden der Kolonistenstatus und die Sonderverwaltung der Kolonien abgeschafft.

Die wertvollsten Exponate im Museum sind:

  • Gusseisernes Waffeleisen von 1890 mit dem Rezept auf dem Deckel;
  • Butterfass aus dem frühen 20. Jahrhundert;
  • der Rubel (ein Waschbrett), der gerade ein Beispiel dafür ist, was die Wolgadeutschen vom russischen Volk übernommen haben;
  • die deutsche Fleischmaschine „Alexanderwerk“ 1920;
  • die Eheringe aus Messing, die für eine Hochzeit wurden am Maibaum oder Bänderstok befestigt wurden;
  • das Kummet;
  • die Tracht einer russlanddeutschen Frau;
  • das Akkordeon „Koch“;
  • der Mörser aus Gusseisen;
  • der Brotkasten aus der Mitte des 20. Jahrhunderts;
  • die Haushaltsgegenstände: ein Spinnrad und ein Sichel.

Von besonderem Wert sind religiöse Bücher aus dem frühen 20. Jahrhundert. Das älteste Buch sind die Psalmen aus dem Jahr 1902.

In unserem Museumsraum befindet sich auch eine Gravüre aus der Mitte des 19. Jahrhunderts „Die Ankunft des russischen Kaisers in Wien: Die große Parade auf dem Schmelzer Grercierplaß am 4. Juni“, angefertigt nach einer Zeichnung von Johann Schönberg.

Einige der Exponate Ihrer Sammlung wurden von den Künstlerinnen und Kunsthandwerkerinnen des Begegnungszentrums angefertigt. Erzählen Sie uns bitte mehr darüber.

Einer der Teile des Museumsraums ist der Religion gewidmet. Angesichts der religiösen Unterschiede zwischen der deutschen und der benachbarten russischen Bevölkerung vergleichen die Deutschen die Sprüche oft mit Ikonen: „Wir haben keine Ikonen, wir haben Sprüche.“ In diesem Sinne fungiert der Spruch in der deutschen Kultur auch als ethnisch-konfessioneller Marker, der ethnische und konfessionelle Grenzen definiert. Der Spruch (als religiöses Bild) spielte in der Kultur der Russlanddeutschen eine besondere Rolle bei der Bildung von Religiosität und der Aufrechterhaltung etablierter ethischer Werte und Normen.

Da es in unserem Zentrum keine alten Sprüche gibt, die von den Kunsthandwerkerinnen des deutschen Wolgagebietes gestickt wurden, werden in unserem Zentrum seit drei Jahren von unseren Kunsthandwerkerinnen wunderschöne Sprüche hergestellt. Wir fertigen sie auf einem Holzbrett, dickem Sperrholz und sticken sie auf Leinwand.

Die Handwerkerinnen unseres Zentrums sind meine Schülerinnen Polina Fjodorowa (16 Jahre), Anastassia Gorkowenko (15 Jahre, ihre Urgroßmutter war Klaudia Dawydowna Klaus), Wlada Tscherkaschina (17 Jahre), Waleria Scharikowa (17 Jahre), Waleria Timofejewa (ihr Großonkel war Heinrich Abramowitsch Teichreb), meine Schwester Christina Schmidt (19 Jahre) und meine Kollegin Elena Dmitrijewna Rudakowa (62 Jahre).

Den zentralen Platz nimmt ein Wandbild ein, das die Kirche Jesu Christi im Dorf Sorkino darstellt. Außerdem gibt es ein Holzkreuz und zwei Kupferreliefs von Christus und der Jungfrau Maria.

In der Ausstellung zum Thema Religion gibt es auch eine Box mit einem Bild der lutherischen Kirche in der Stadt Marx. Es wurde von der Künstlerin Anastassia Nikolajewna Pogorelowa angefertigt.

In unserem Museumsraum befindet sich eine Sammlung von Melodien deutscher Lieder der Wolga-Kolonisten. Iwan Nikolajewitsch Leschtschenko (seine Urgroßmutter war Dorothea Kasparowna Kinstler), Akkordeonspieler und Preisträger internationaler Wettbewerbe, hilft uns bei der Auswahl von Noten und der Aufnahme von Melodien. Mit ihm planen wir, die Sammlung und Aufnahme von Melodien für traditionelle deutsche Feiertage weiter zu studieren.

Seit zwei Jahren sammeln wir Informationen über herausragende Russlanddeutsche in unserer Region – wir wollen ein Gedenkbuch herausgeben. Es besteht die Idee, eine Gedenktafel zur Erinnerung an die Arbeit des Arztes, Chirurgen und Ordensträgers Iwan Iwanowitsch Welker anzubringen. Selbstverständlich arbeiten wir weiterhin mit Ausstellungsgegenständen und ergänzen die Sammlung in unserem Museumsraum. Wir planen einen Ausflug in das deutsche Dorf Orlowka in unserer Region.

Dieser Museumsraum ist eine große Hilfe bei der Organisation von Maßnahmen im Zentrum der deutschen Kultur. Es gibt Führungen zusammen mit russlanddeutschen Familien. Ich nehme mit meinen Schülern und Absolventen daran teil. Diese Arbeit ist Bestandteil der Museumspädagogik, deren Grundsätze in Treffen in unserem Zentrum der deutschen Kultur umgesetzt werden.

Ziel all dieser Arbeit ist es, durch die Einbeziehung in die vielfältigen Aktivitäten des Museums, der Sprach- und Gesangsklubs und Veranstaltungen des Zentrums der deutschen Kultur Rahmenbedingungen für die Entfaltung der Persönlichkeit zu schaffen. Durch diese Arbeit werden wir mit dem Leben, der Geschichte und der Kultur der ethnischen Gruppe, der wir angehören, vertraut gemacht.

Das Projekt wurde mit Unterstützung des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur im Rahmen des Unterstützungsprogramms für Russlanddeutsche in der Russischen Föderation realisiert.