Erbe in Farben: Geschichte bewahren


Baronsk, Jekaterinenstadt, Katharinenstadt, Jekaterinograd, Marxstadt, Marx… Im Verlaufe ihrer 260jährigen Geschichte wechselte diese am linken Ufer der Wolga 60 km nordöstlich von Saratow liegende Stadt nicht wenige Namen. Gegründet in der 1. Hälfte des 18. Jh. von deutschen Übersiedlern, die dem Einladungsmanifest von Katharina II folgten, erhielt sie ihren ersten Namen zu Ehren der russischen Kaiserin.

Durch standhafte Überwindung von Schwierigkeiten der ersten Jahre erschlossen tüchtige Kolonisten mit ihrer Gründlichkeit neue Ländereien, indem sie die Steppen in ertragsreiche Felder verwandelten. Das in den Kolonien der Wolga-Deutschen hergestellten Getreide und Mehl genossen russlandweiten Ruhm und erhielten Auszeichnungen bei internationalen Messen. Nach und nach verwandelte sich die Jekaterinenstadt in ein Handels- und Gewerbezentrum mit Kirchen, medizinischen und Lehreinrichtungen, zahlreichen Läden, Mühlen und landesweit bekannten Fabriken. Zu Beginn des 20. Jh. entwickelte es sich zum größten Kultur-, Handels- und Industriezentrum der Wolga-Region.

Im Band 2 der Tischenzyklopädie heißt es: „Jekaterinenstadt ist ein Handelszentrum der deutschen Siedlungen. Die Einwohnerzahl macht (1887) 607 Personen aus, es gibt vier Kirchen (2 lutherische, eine katholische und 1 orthodoxe Kirche), 3 Schulen, ein Kinderheim, ein Krankenhaus. Es bestehen 133 Handels- und Industrieeinrichtungen, davon 80 Läden, eine Brauerei, eine Seifenfabrik, eine Ziegelei, Mühlen, 15 Wollwirkanlagen. Umfassender Getreideanbau, Anbau von Tabak sowie Viehzucht“.

Im Verlaufe ihrer Geschichte machte die Stadt sowohl freudige Jahre des Reichtums und der Prosperität, als auch traurige Jahre des Hungers und der Deportation durch. Generationen und Epochen lösten sich ab, aber die Eigentümlichkeit der Kultur und der Traditionen der ersten Siedler lässt sich hier auch heute noch erleben.

Im Rahmen eines vom Internationalen Verband der deutschen Kultur veranstalteten Art-Labors besuchten die Künstler, Nachkommen der Russlanddeutschen aus verschiedenen Ecken und Enden des Landes von St.-Petersburg bis Krasnojarsk die Wolga-Region. Inspiriert durch die Atmosphäre von Marx, Engels und der Dorfsiedlungen des Gebiets Saratow schufen sie eine Reihe der Kunstwerke, indem sie das architektonische Erbe und die mit dem religiösen, öffentlichen und privaten Leben der deutschen Gemeinde der vergangenen Jahrhunderte verbundenen Gedenkorte in Farben festhielten.

Bei dieser Ausstellung geht es nicht nur um künstlerische Aussage, sondern auch um einen Akt des Gedenkens. Über die ausgestellten Gemälde kann der Betrachter eine historische Reise unternehmen und des Kulturerbes der Russlanddeutschen als eines der Völker Russlands teilhaftig zu werden, den inneren Aufbau der Stadt Marx kennenlernen, die jedem Wechsel der Epochen, Namen und Schicksäle zum Trotz den Geist ihrer Begründer beibehält.

Für die Veranstalter und Autoren der Ausstellung bedeutete das Projekt einen Raum für den Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart, eine Möglichkeit, das kulturhistorische Erbe des eigenen Volkes mit der Sprache der Kunst neu zu definieren.

Die Ausstellung fand anlässlich des 15.jährigen Bestehens der Tätigkeitsrichtung „Avantgarde“ und des Verbandes russlanddeutscher Künstler statt. Das Projekt wurde organisiert vom Internationalen Verband der deutschen Kultur in Zusammenarbeit mit der Lokalen national-kulturellen Autonomie der Deutschen des Bezirks Marx und dem Heimatkunde-Museum von Marx als einer Niederlassung des Heimatkunde-Museums des Gebiets Saratow.

In den Begleittexten zu den Gemälden wurden folgende Materialien genutzt:

  • Jekaterinenstadt – Marx: Illustrierter Reiseführer. – Saratow, Verlagshaus „Wolga“, 2021;
  • Materialien, die vom Heimatkundemuseum von Marx zur Verfügung gestellt wurden;
  • Smirnowa Т.B. Ethnographie der Russlanddeutschen - М.: IVDK-Medien, 2012;
  • Лицом к лицу с нашей историей на Волге = Von Angesicht zu Angesicht mit unserer Geschichte an der Wolga. – T. 1: Dorfsiedlung Krasnyj Jar. Dorfsiedlung Generalskoje. – М.: Gotica, 2002.
  • Neue illustrierte elektronische Enzyklopädie der Deutschen Russlands. URL: enc.rusdeutsch.ru
  • Jerina Е.М. Unter der Obhut der Gottesmutter: Aus der Geschichte des Stadtviertels Pokrowskaja – Pokrowsk – Engels in Dokumenten und Fakten – Saratow: Wolga-regionaler Buchverlag, 2003.
  • «Схожу с высот небесных я...» : К 500-летию Реформации „Vom Himmel hoch, da komm’ ich her...“: Zum 500. Jahrestag der Reformation: Bildband. – М.: RusDeutsch-Medien, 2017.
  • Materialien der Website „Geschichte der Russlanddeutschen“

    Das Projekt wurde mit Unterstützung des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur im Rahmen des Unterstützungsprogramms für Russlanddeutsche in der Russischen Föderation realisiert.