Mein russischer Mann und ich: Teil 2 unserer Serie zu deutsch-russischen Paaren. Diesmal: die seltenere Kombination

In der letzten Ausgabe der MDZ haben wir einige deutsch-russische Paare vorgestellt und viele Rückmeldungen bekommen. Einige Leser erwähnten, dass dabei ausschließlich die häufigere Kombination deutscher Mann, russische Frau vorkam. Daher kommen hier nun Paare deutscher Frauen und russischer Männer zu Wort (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 10 (401), Mai 2015). 

In der letzten Ausgabe der MDZ haben wir einige deutsch-russische Paare vorgestellt und viele Rückmeldungen bekommen. Einige Leser erwähnten, dass dabei ausschließlich die häufigere Kombination deutscher Mann, russische Frau vorkam. Daher kommen hier nun Paare deutscher Frauen und russischer Männer zu Wort (Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 10 (401), Mai 2015).

Martina Wiedemann (60) aus Potsdam und Wjatscheslaw Anoschko (61) aus Sachalin

Sie lernte zuerst Russland kennen, bevor sie hier ihren Mann traf. Seit 1993 lebte Martina Wiedann im Land, erlebte die „wilden 90er“ in Moskau. Erst arbeitete sie als Hoteldirektorin, später als Journalistin und Trainerin. Es war 2004, als sie ihren Mann Wjatscheslaw traf. Sie hatte gerade bei RIA Novosti angefangen und ihr war das Diensthandy bereits nach wenigen Tagen gestohlen worden. Slawa arbeitete als Techniker, daher wurde sie zu ihm geschickt, um sich dort ein neues Telefon abzuholen. „Bei mir hat es gleich gefunkt, als ich ihn gesehen habe“, sagt Wiedemann. „Bei ihm habe ich aber wohl beim ersten Mal noch nicht so einen bleibenden Eindruck hinterlassen.“

Doch sie sahen sich schon bald wieder: Eine Woche später wurde ihr erneut das Handy entwendet. „Insgesamt wurden mir damals sogar vier geklaut. Zwei aus dem Rucksack, eines wurde mir von einem Band um den Hals abgerissen und ein anderes wurde mir ganz dreist auf der Rolltreppe aus der Hand genommen als ich gera- de abheben wollte.“ Es war ihr sehr unangenehm deswegen zu ihm gehen zu müssen.

Kurz darauf war sie aufgrund ihrer Hotel-Erfahrung bei einem Diskussionskongress für die Hotels und Restaurants zuständig und er war dorthin als Techniker entsandt worden. „Da habe ich mir gesagt: jetzt oder nie“, erzählt sie entschlossen. „Er konnte sich meiner Angriffslust nicht entziehen“, lacht sie. Das war im August 2004. Im Februar 2005 zogen sie zusammen. „Zehn Jahre haben wir dann das Zusammenleben ‚trainiert‘, bevor wir geheiratet haben: dieses Jahr am 20. März – aus praktischen Gründen, damit der andere im Falle eines Umzuges problemlos mitkommen kann.“ Aus ihren ersten Ehen haben beide jeweils einen Sohn, jeweils 1980 geboren, beide Kinder arbeiten im Restaurantwesen.

Kulturelle Missverständnisse gebe es in ihrer Beziehung nicht, sagt Wiedemann. Wohl auch, weil sie Russland bereits sehr gut kannte, als sie sich begegneten. „Wir haben uns ja auch schon im reifen Alter kennengelernt – da macht man nicht mehr solche Dummheiten. Und wir haben eigentlich immer was zu reden.“ Sprachlich gibt es keine Hindernisse, weil sie bestens mit den Feinheiten der russischen Sprache vertraut ist.

Wiedemann ist sich bewusst, dass deutsche Frauen mit russischen Männern eher die Ausnahme sind. Sie kenne nur drei weitere Paare dieser Kombination. Wieso die russischen Männer bei deutschen Frauen aber nur wenig gefragt sein, könne sie nicht verstehen. „Für mich sind die von Pseudo-Emanzipation weichgespülten Männer in Deutschland nichts!“

Grundsätzlich müsse man aber auch beachten, dass nicht so viele deutsche Frauen alleine nach Russland kämen wie Männer. „Und als Tourist in Deutschland bringt man eher keine Frau mit zurück“, sagt Wiedemann. Dazu gebe es in Russland etwa 10 Millionen mehr Frauen als Männer. „Deswegen sind die auch so aufgebrezelt: weil sie ständig am Markt sind“, erklärt sie. „Und ich habe da jetzt etwas Böses gemacht: Noch eines dieser raren Stücke weggenommen.“

Juliane (35) aus Berlin und ihr Mann Dmitrij Inozemtsev (35) von der Krim

Hätte man ihr nach dem Abitur gesagt, dass sie einmal einen russischen Seemann heiraten werde, hätte sie das nicht für möglich gehalten. Heute ist Juliane Inozemtsev seit neun Jahren mit ihrem Dmitrij verheiratet, sie leben in Berlin und haben drei Kinder: einen siebenjährigen Sohn, eine vierjährige Tochter und eine weitere Tochter, die erst ein halbes Jahr alt ist. Aber wo lernt man einen russischen Seemann kennen?

Auf einem Schiff. Im Jahr 2000 war Dmitrij Kadett auf dem Segelschulschiff „Chersones“ der ukrainischen Handelsmarine. Sie arbeitete nach dem Abitur als Flugbegleiterin und fuhr in ihren Ferien als Touristin auf dem Schiff mit. Um die Ausbildung der Kadetten mitzufinanzieren, nahm das ukrainische Ausbildungsschiff – eine Art zivile Gorch Fock – nämlich auch zahlende Mitsegler an Bord. Die Tickets für den Sommerurlaub auf See hatte ihre beste Freundin ohne ihr Wissen gekauft. Juliane war zunächst skeptisch, den Urlaub auf einem Schiff mit 80 Männern zu verbringen und sprach kein Wort Russisch. Kadett Dmitrij war ebenfalls nicht begeistert, als er den beiden Deutschen als Ansprechpartner zugewiesen wurde und ihnen Grundlagen des Matrosenhandwerks beibringen sollte. Sie unterhielten sich damals auf Schulenglisch. „Zunächst hatten wir beide Vorurteile gegenüber dem anderen Land“, sagt die 35-jährige. „Er dachte, deutsche Frauen seien karriereorientiert, wollten vom Haushalt nichts wissen und kümmerten sich nicht um ihre Männer. Zudem hatte er durch den Zweiten Weltkrieg ein sehr negatives Bild von den Deutschen.“

Sie selbst hingegen hielt Russland für kalt. Von den Menschen dachte sie, dass sie sehr arm und oft Alkoholiker seien. Die Frauen sah sie als Heimchen am Herd, die auf die Fassade mehr Wert legten als auf Bildung. Schnell merkten beide, dass sie falsch lagen. „Auf dem Schiff hat er uns dann zum Beispiel ausführlich erklärt, wie man Messingschilder poliert. Wir hörten ihm kaum zu und wischten daher auch über das Holz, das dann grün wurde.“ Er half ihnen mit Terpentin, das wieder in Ordnung zu bringen. „Da habe ich mir dann gedacht, dass er doch ein ganz netter Kerl ist“, sagt sie.

Das Schiff verließ sie nach zwei Wochen mit Schmetterlingen im Bauch, machte sich aber keine Illusionen, dass sie die Romantik des Schiffes über die Distanz auch in den Alltag übertragen könnten. Noch im selben Jahr reiste sie aber mit ihrer Freundin zum Heimathafen des Schiffes nach Sewastopol und traf auch ihren Seemann wieder. „Es war, als wäre ich gar nicht weggewesen.“ Im nächsten Sommer waren sie wieder an Bord.

„Wir haben dann festgestellt, dass man gegen die Gefühle nichts ausrichten kann. Also mussten wir es eben versuchen.“ Sie begann in Leipzig zu studieren. Er verbrachte dort seinen Landurlaub, sie fuhr auf die Krim. Sie sahen sich als Studenten nur in größeren Abständen, begannen aber, die Sprache des anderen zu lernen. Auch heute unterhalten sie sich auf beiden Sprachen. Mit ihren Kindern reden sie jeweils in ihrer Muttersprache, damit sie zweisprachig aufwachsen.

2004 zog sie für ein Auslandssemester auf die Krim, stellte allerdings fest, dass der Alltag dort anders war als der Urlaub. Sie war unglücklich, kam mit Sprache und Mentalität damals nicht zurecht. 2006 heirateten sie in Potsdam. 2007 zog er daher nach ihrem Studium zu ihr nach Berlin – ihr zuliebe. 2008 kam ihr Sohn zur Welt. Seitdem war die Familie jedes Jahr für mindestens drei Monate auf der Krim. Mittlerweile kann sie sich vorstellen, dort zu leben. „Über die Kinder kommt man schneller in Kontakt mit anderen Müttern“, berichtet die studierte Journalistin, die sogar ein Buch über ihr Kennenlernen geschrieben hat. Ihre Beziehung sei auch ein gegenseitiger Anpassungsprozess gewesen: Sie sei häuslicher, er europäischer geworden. Dmitrij sei mittlerweile mit Julianes schwulem Freund Harald befreundet. Als erster deutscher Freund besuchte Harald sogar Dmitrijs Eltern auf der Krim. „Zunächst war das ungewohnt, er wurde aber sehr herzlich empfangen“, berichtet sie.

Wenn der Kapitän eines holländischen Handelsschiffs von See zurückkommt, fragt er sie nun bereits seit 15 Jahren vorher am Telefon: „Weißt du schon, was du kochen wirst?“ Am Anfang habe sie nicht verstanden, wieso das wichtig sei. Mittlerweile antworte sie ihm etwa: „Ja, ich habe gedacht, ich mache Fisch.“

Von Simon Schütt,
Moskauer Deutsche Zeitung, Ausgabe Nr. 10 (401), Mai 2015


Hintergrundinformation:

Aus dem aktuellen Migrationsbericht des Bundesamtes für Migration von 2013 geht hervor, dass zumindest in Deutschland deutlich mehr russische Frauen deutsche Männer heiraten als deutsche Frauen russische Männer. In der Kategorie „Ehefrauen zu Deutschen“ stellen die Russinnen mit 1989 Nachgezo- genen die größte Zahl. Russischen Männern, die ihren deutschen Frauen folgten, wurden 2013 hingegen nur 326 Visa für den Ehegattennachzug erteilt. Von russischer Seite gibt es keine entsprechenden Daten. 2014 wurden aber nach Angaben des Moskauer Standesamtes Nr. 4, das für Ehen mit Ausländern zuständig ist, 161 Ehen mit Deutschen geschlossen.

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