Im Rahmen des 4. Kultur- und Geschäftsforums „Made by Deutschen aus Russland. Vertrauen. Verantwortung. Entwicklung“, das heute in München seine Arbeit begann, fanden Podiumsdiskussionen zu den Themen der Immobilien, des Bauwesens, soziales Unternehmertums, der Agrarindustrie und innovativer Medizin statt.
Die Reihe von Geschäftsdialogen wurde mit der Podiumsdiskussion „Agrarier in der Hightech-Welt“ eröffnet. Die Teilnehmer des Podiums diskutierten die Erfahrungen mit ihren eigenen Investitionsprojekten, die Besonderheiten der Geschäftstätigkeit in der russischen Landwirtschaft, die Schwierigkeiten der Agrarwirtschaft und Beispiele neuer Technologien aus Deutschland.
Was ist besser – Globalisierung oder Kooperation, weltweite landwirtschaftliche Erfahrung oder unsere eigene? Sind die Hightech-Technologien ein Vorteil oder ein Nachteil für die Lebensmittelproduktion? Die Diskussion war angesichts ihrer extremen Relevanz sehr scharf. Während des Dialogs stellte sich heraus, dass es in Russland und Deutschland sehr ähnliche Probleme auf dem Gebiet der Landwirtschaft gibt: die Kluft zwischen den sozialen Schichten der Bevölkerung, die Monopolisierung des Marktes durch große Agro-Betreiber, die unfaire Verteilung von Investitionen und Gewinnen, der Verlust landwirtschaftlicher Gebiete.
Moderator der Agrosektion, Leiter des Projektes „Agroinvestor“ Nikolaj Lytschjow bewertete die aktuelle Situation in Russland wie folgt: „In den letzten 15 Jahren machten landwirtschaftliche Investitionen aus anderen Ländern ins russischen Agrarindustriesektor nur 1% der Investitionen aus. Also, das heißt, Russland entwickelt heute die Landwirtschaft für ihr eigenes Geld“.
An der Diskussion haben Russlanddeutschen sowie russischen Unternehmer teilgenommen: stellvertretender Vorsitzender vom Entwicklungsausschuss für AgrarIndustrie-Komplex der Handels- und Industriekammer der Russischen Föderation Pawel Grudinin; stellvertretender Generaldirektor bei der Agrarindustrieholding „EkoNiva“ Tobias Abel, Präsidiumsmitglied des Rates der Deutschen national-kulturellen Autonomie der Region Altai, stellvertretender Geschäftsführer der OOO „Indosibir“ Jewgenij Milchin; freier Mitarbeiter der OOO „PETKUS Russland“ Dr. Odo Turowski.
Tobias Abel stellte die erfolgreichen Erfahrungen aus der Entwicklung der Agrarindustrieholding „EkoNiva“ von Stefan Dürr vor und zeigte in Zahlen die Leistungsfähigkeit des Unternehmens, das sich als Hersteller eines natürlichen Produktes positioniert. Die Diskussion ist aufgeflammt. Als Reaktion darauf folgten Meinungen des Publikums, dass es für ein kleines Unternehmen sehr schwierig ist, ein Naturprodukt zu realisieren. „Wir sind preislich nicht konkurrenzfähig zu einem großen Zulieferer, und wir erhalten keine staatliche Unterstützung wie landwirtschaftliche Betriebe“, sagte Otto Gross, der Landwirt mit vierzigjähriger Erfahrung aus der Region Altai. Pawel Grudinin unterstützte die Teilnehmer und bestätigte die Situation in Zahlen am Beispiel der Milchproduktion. Es wurde auch das Thema der geringen Kaufkraft in Russland besprochen: „Wir sollten nicht glauben, dass die Menschen nicht verstehen, dass sie keine natürliche Produkte kaufen. Sie verstehen es, aber nicht jeder kann sich die Naturprodukte leisten“, fügte Pawel Grudinin hinzu.
Jewgenij Milchin teilte die Perspektiven von „Indosibir“, die die Erfahrung des modernen Gefriertrocknens von Obst und Gemüse einführt und deren Kosten durch den Verkauf von Abfällen für die Tierfutterproduktion senken will.
Um die Widersprüche in Einklang zu bringen, forderte Dr. Odo Turowski alle auf, sich an das Wesentliche zu erinnern – an die Grundwerte, an denen der professionelle Landbesitzer festhält und die ihm helfen, den inneren Kurs nicht zu verlieren, unabhängig von den Erschütterungen auf dem Markt. „Familie, Gemeinschaft, die sich entwickelt und unterstützt, demokratische Prinzipien im Umgang mit Menschen, ein umweltfreundlicher Ansatz – das sind die Dinge, an denen wir uns in unserem Geschäft orientieren sollten“, sagte er.
Moderator der Agrosektion Nikolaj Lytschjow fasste die Diskussion zusammen: „Ich möchte, dass wir das Forum nicht mit dem Gedanken verlassen, wer besser oder effektiver ist – große landwirtschaftliche Betriebe oder kleine Unternehmen, sondern mit dem Verständnis, dass sowohl diese als auch jene für die vollständige Entwicklung der Staaten benötigt werden, und die Wahrheit liegt in dem vernünftigen Gleichgewicht. Niemand sollte unbegrenzt dominieren. Darüber hinaus überschneiden sich die Hauptwerte dieses Forums – Gerechtigkeit, Verantwortung, Vertrauen und Entwicklung – mit der persönlichen Position der Teilnehmer an dieser Veranstaltung“.
Zur Kenntnis:
Das Kultur- und Geschäftsforum der Russlanddeutschen findet schon zum vierten Mal statt. Im Jahr 2018 fand das Forum in Kaliningrad statt und versammelte etwa 140 Teilnehmer.
In diesem Jahr findet das Forum unter der Teilnahme des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Dr. Bernd Fabritius und des Leiters der Föderalen Agentur für Nationalitätenangelegenheiten der Russischen Föderation Igor Barinow statt.
Veranstalter: Internationaler Verband der Deutschen Kultur und Moskauer Deutsche Zeitung mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung. Partner: Businessclub der Russlanddeutschen und Verband der deutschen Unternehmer aus Russland.
Das Kultur- und Geschäftsforum „Made by Deutschen in/aus Russland“ ist eine internationale Plattform für offenen Dialog und Erfahrungsaustausch im Bereich des Klein- und Mittelunternehmertums. Die Idee des Forums entstand im Businessclub der Russlanddeutschen. Das Forum findet seit 2016 jährlich statt – abwechselnd in Russland und in Deutschland.
Zu der positiven Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Unternehmern und Regionen beider Länder tragen die Kultur- und Geschäftszentren der Russlanddeutschen und Deutsch-Russischen Häuser in Moskau, Kaliningrad, Omsk, Nowosibirsk und Tomsk bei.
Das Kultur- und Geschäftsforum findet Unterstützung auf höchstem staatlichem Niveau – die Veranstaltung wird immer anlässlich der Sitzungen der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen durchgeführt.