Im Haus des Deutschen Ostens wird das erste gemeinsame deutsch-russische Geschichtsbuch vorgestellt

„Deutschland – Russland. Stationen gemeinsamer Geschichte. Orte der Erinnerung“, so lautet der Titel des ersten gemeinsamen deutsch-russischen Geschichtsbuches, bei dessen Entstehen 2014–2020 ein Team von deutschen und russischen Historikern zusammengearbeitet hat. Das Buch erzählt auch von den 1,8 Millionen Deutschen in Russland, die bei der ersten gesamtrussischen Volkszählung 1897 Deutsch als ihre Muttersprache angaben. Am 9. Juli 2020, um 19 Uhr wird das Geschichtsbuch im Haus des Deutschen Ostens, München, präsentiert.

Vor wenigen Tagen ist im De Gruyter/Oldenbourg Verlag Band II (Das 19. Jahrhundert) erschienen. Somit ist das Gesamtwerk nunmehr abgeschlossen, nachdem Band I (zum 18. Jahrhundert) bereits 2018, Band III (zum 20. Jahrhundert) 2014 erschienen sind. Die Bände sind entstanden im Auftrag der gemeinsamen Kommission zur Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen, in der auch ihr Konzept beraten und beschlossen worden war.

Ein Briefwechsel zwischen Bundeskanzler Helmut Kohl und dem russischen Präsidenten Boris Jelzin rief 1997/98 die gemeinsame deutsch-russische Historikerkommission ins Leben. Mit auf beiden Seiten je 12 Mitgliedern (Historikern und Archivaren) sollte sie zur bilateralen Erforschung der jüngeren deutschen und russischen Geschichte beitragen: durch eine Erleichterung des Zugangs zu Archiven, die Beratung und Unterstützung interessierter Wissenschaftler, die gemeinsame Erörterung wichtiger historischer Themen und die Veröffentlichung von wissenschaftlichen Untersuchungen und Materialien.

Das dreibändige Geschichtsbuch umfasst (in der deutschen Ausgabe) 1.160 Seiten, mit etwa 85 Essays zu Schlüsselereignissen, -personen und -problemen der deutschen, russischen und gemeinsamen Geschichte, ihrer politischen und geistesgeschichtlichen, sozialen und kulturellen Entwicklung seit dem 18. Jahrhundert. Es enthält außerdem Quellentexte, Zeittafeln sowie Informationen zu handelnden Personen und über 300 Abbildungen.

Anhand des eben erschienenen Bandes II zur Geschichte des 19. Jahrhunderts wird dieses Konzept im Haus des Deutschen Ostens vorgestellt.

Denn das Geschichtsbuch erzählt auch von den 1,8 Millionen Deutschen in Russland, die bei der ersten gesamtrussischen Volkszählung 1897 Deutsch als ihre Muttersprache angaben. Die Mehrheit unter ihnen kamen seit der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts zu Hunderttausenden als „Kolonisten“ (Bauern) ins Land und lebten vor allem im russischen Teilungsgebiet Polens, im Wolgagebiet, in der Schwarzmeerregion, in Wolhynien, in den Ostseeprovinzen und im Kaukasus. Andere waren als Unternehmer (etwa in der Herstellung von Landwirtschaftsmaschinen oder als Süßwarenfabrikanten) tätig, wieder andere erreichten hohe und höchste Posten im Staats- und Militärdienst. Zum geschichtlichen Gesamtkomplex gehören auch die engen deutsch-russischen dynastischen Beziehungen, denn Mitglieder der Romanow-Dynastie wählten als Ehegattinnen im 18. und 19. Jahrhundert bevorzugt Prinzessinnen aus Baden, Württemberg, Oldenburg, Sachsen-Weimar und Mecklenburg-Schwerin. Einen weiteren Bestandteil des Phänomens „Deutsche in Russland“ bilden die engen Wissenschaftsbeziehungen, greifbar in der Bedeutung des Humboldt’schen Bildungskonzeptes für die Universitätsreformen in Russland; oder auch in der Bedeutung von Werner Siemens, Ludwig Knoop, Heinrich Schliemann, Alexander Mendelsohn für die Entwicklung von Telegraphie, Elektrifizierung, Handel, Banken und Kreditwesen im Zarenreich.

Wenn es politische Absicht bei der Schaffung der deutsch-russischen Historikerkommission Ende der 1990er Jahre gewesen war, durch Forschung und Diskussion die Erinnerung in Deutschland und Russland an eine gemeinsame Vergangenheit einander anzunähern, so folgte das Projekt eines gemeinsamen Geschichtsbuches eben dieser Intention.

Professor Dr. Dr. h.c. (mult.) Horst Möller war von 1992 bis 2011 Direktor des Instituts für Zeitgeschichte (IfZ) München-Berlin. Von 1997 bis 2014 war er deutscher Co-Vorsitzender der gemeinsamen Kommission für die Erforschung der jüngeren Geschichte der deutsch-russischen Beziehungen.

Professor Dr. Helmut Altrichter war von 1990 bis 2012 Inhaber des Lehrstuhls für Osteuropäische Geschichte an der Universität Erlangen-Nürnberg, seit 1997 war er Mitglied der Kommission und Mitherausgeber der Bände II und III.

Eberhard Kuhrt war Referatsleiter für Deutschlandforschung in den Bundesministerien für innerdeutsche Beziehungen und des Innern (Berlin). Zuständig für die Kommission im Bundesministerium des Innern betreute er (als Redakteur und Mitautor) auch das Projekt des deutsch-russischen Geschichtsbuches.

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Zur Kenntnis:

Das Haus des Deutschen Ostens (HDO) in München ist eine Kultur-, Bildungs- und Begegnungseinrichtung des Freistaates Bayern zu den Themen der früheren deutschen Staatsgebiete sowie der deutschen Siedlungsgebiete im östlichen Europa. Es versteht sich als ein europäisches Forum für Kultur und Geschichte der Deutschen aus diesem Raum.

Quelle: Pressemitteilung des Hauses des Deutschen Ostens

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