Fesselnde Aufführung der Teilnehmenden des Art-Labors für zeitgenössische Kunstformen


Vom 20. bis 24. Mai hat in Sankt Petersburg das Art-Labor für zeitgenössische Kunstformen stattgefunden. Das Ergebnis der harten Teamarbeit der Referenten, Leiter und Teilnehmenden ist die abschließende Aufführung, die dem Publikum auf dem Gelände des Veranstaltungsortes „Lenpoligrafmasch“ (Leningrader Druckmaschinenfabrik) gezeigt wurde.

Unter der Anleitung von den Leitern und erfahrenen Referenten konnten die Teilnehmenden ihre Fähigkeiten in einem der beiden Bereiche ihrer Wahl – entweder „Storytelling“ oder „Plastisches Theater“ – weiterentwickeln. Der Tag der abschließenden Aufführung und der vorletzte Tag des Projekts begannen traditionell mit einer Sprechübung, die von den Teilnehmenden in den vergangenen drei Tagen so geliebt wurde. Der Moderator Arwid Knippenberg leitete ein weiteres faszinierendes Treffen, in dem er die Fantasie seiner Lehrlinge anregte und ihre Freude an der Schauspielkunst in Erwartung des theatralischen Abends weckte.

Ebenfalls in die Gruppen „Storytelling“ und „Plastisches Theater“ aufgeteilt, begannen die Teilnehmenden mit den Proben, bevor sie sich zu einem abschließenden Durchlauf trafen, bei dem sie ihre kreativen Darstellungsformen kombinieren mussten. Es galt, das Zusammenspiel von Sprechtheater, das an das waghalsige Stand-up-Genre erinnert, und choreografierter plastischer Körpersprache zu entwickeln und zu verfeinern.

Etwa eine Stunde vor der Aufführung verteilten sich die Schauspielerinnen und Schauspieler in kleinen Gruppen auf dem schönen Gelände der Leningrader Druckmaschinenfabrik, ließen sich auf den sonnigen Stufen eines Cafés, auf Bänken im Schatten und auf dem Rasen vor dem Gebäudekomplex „Design-Park“ nieder. Vor dem Auftritt schien es keine nervöse Anspannung zu geben: Alle waren von ihren Fähigkeiten überzeugt und wussten genau, was sie auf der Bühne leisten würden.

Zehn Minuten vor der Aufführung hatten sich die Gäste bereits vor den Türen des Saals versammelt. Etwa 40-45 Personen, teilweise mit Kindern, lernten sich kennen und sprachen bereits über die bevorstehende Aufführung. Viele Mitglieder der Selbstorganisation der Russlanddeutschen und des Sankt Petersburger Jugendklubs „Jugendblitz“ waren anwesend. Um Punkt 19 Uhr verstummte das Gemurmel im Saal, das Publikum erstarrte auf seinen Plätzen und die Lichter gingen aus, um von einem kleinen Licht an der Bühnendecke wieder erhellt zu werden. Die Aufführung hat begonnen.

Sergei Schtschedrin, Leiter des Workshops „Storytelling“ und Professor der Hochkunstschule des Tschechow-Kunsttheaters, eröffnete die Aufführung, indem er dem Publikum dankte und es auf das, was es erwartete, vorbereitete, die allgemeinen Regeln des modernen Theaters erläuterte und den ersten Schauspieler begrüßte. Das Publikum reagierte mit Vergnügen auf die unerwarteten Witze der Schauspielerinnen und Schauspieler, zögerte nicht, auf in das Publikum geworfene Sätze zu reagieren und interagierte mit denjenigen, die aufgetreten sind. Die detaillierten Erzählungen der Schauspielerinnen und Schauspieler über herausragende Vertreter des russlanddeutschen Volkes rührten das Publikum in manchen Momenten zu Tränen, wie z. B. die kurzen und anschaulichen Biografien von Sinaida Reich und Anna German, die von Anna Narmania und Alexandra Dorman erzählt wurden. Es gab auch einige lustige Momente, wie die Geschichte von Andrej Gamm, der das Publikum überraschte, indem er unerwartet ein Notizbuch in seinen Händen entzündete.

Daraufhin zog die Gruppe des „Theaters für Körperplastik“ die gesamte Aufmerksamkeit des Publikums auf sich. Die Tänzerinnen und Tänzer lieferten eine brillante Vorstellung ab, bei der sie ihren Körper als präzises Werkzeug einsetzten, sich aber nicht darauf beschränkten. Seile, Säcke und sogar Erde, welche die Künstlerinnen und Künstler in den Händen hielten und in die sie ihre Gesichter tauchten, lagen nach der Aufführung noch einige Zeit auf der Bühne, als wollten sie zeigen, dass auch die Welt der Objekte nicht bereit ist, eine Handlung zu beenden, die sowohl die Teilnehmenden als auch die Zuschauer des Art-Labors in ihren Bann gezogen hatte. Der Applaus war während der gesamten Aufführung so häufig zu hören, dass er ein obligatorischer Teil der Aufführung zu sein schien. Nach der Schlussszene blieb das Publikum noch eine Zeit lang und ließ die Schauspielerinnen und Schauspieler nicht von der Bühne.

Nach dem Umkleiden und Abschminken nahmen die Teilnehmenden des Art-Labors an einer offenen Diskussion mit dem Publikum und den Profis ihres Fachs teil. Dabei wurde die Rolle der Selbstorganisation sowie die Zukunft und die Gegenwart zeitgenössischer Kunstformen diskutiert. Am Ende des Treffens unterhielt der Projektteilnehmer Andrej Gamm die Gäste mit einer ungewöhnlichen Solo-Performance, und zwar einem brillanten Zaubertrick mit Zahlenraten, einer Flasche Limonade und einem lebenden Goldfisch.

Arina Nemkowa, Direktorin des Deutsch-Russischen Begegnungszentrums in Sankt Petersburg, kommentierte die Aufführung wie folgt:

„Moderne Formen des Bezugs zur Geschichte haben für mich immer mehrdeutige Fragen aufgeworfen. Manche Kunstformen haben jedoch überhaupt nichts mit dem Thema Russlanddeutsche zu tun. Das von den Teilnehmenden des Projekts „Avantgarde“ dargebotene Stand-up ist eine erstaunliche Ansammlung von Gefühlen: spannende Geschichten, unerwartete Sichtweisen, emotionale Inhalte, ein Gefühl für die Reaktion des Publikums und erstaunliche Motive der Protagonisten und Nebenfiguren. Aufschlussreich für eine sehr persönliche Wahrnehmung der Schicksale der betreffenden Persönlichkeiten. Die bildhafte Geschichte der Russlanddeutschen hat meine Gefühle in den letzten Tagen auf den Kopf gestellt. In diesen kurzen 10-12 Minuten (die ganze 80 bis 150 Jahre umfassen) hat mich das Erleben der tragischen Geschichte eines Volkes mehr berührt als sachliche Studien und Beschreibungen.

Durch solche Erfahrungen hört das Verständnis für die Generationserfahrung der Russlanddeutschen auf, ‚das Schicksal des Volkes‘ zu sein, und wird zum ‚Schicksal der einzelnen Person‘.

Es ist zutiefst persönlich und rührt zu Tränen. Ein großes Dankeschön an die talentierten und zu Herzen gehenden ehrlichen Teilnehmenden. Möge das moderne Theater genau so sein“.

Diana Schalutaschwili, eine Teilnehmerin der Gruppe „Plastisches Theater“, schilderte ihre Eindrücke von der Arbeit mit ihren Kolleginnen und Kollegen:

„Ich beschäftige mich schon lange mit dem Theater für Körperplastik, aber was ich hier mit Ksenia (Anm. d. Red.: Ksenia Petrenko, Regisseurin des Art-Labors in der Richtung „Plastisches Theater“, Choreografin) erlebt habe, ist etwas Neues, etwas Unglaubliches. Ich bin ihnen wirklich sehr dankbar. Für mich ist es eine großartige Erfahrung verbunden mit unglaublichen Gefühlen.

Meistens habe ich allein an der Körperplastik gearbeitet, aber wenn man mit einer Gruppe arbeitet und versteht, dass man hören und fühlen muss, manchmal sogar ohne sich anzusehen, scheint es zunächst unvorstellbar zu sein.

Dieser Abend wird ein unvergessliches Erlebnis bleiben, zumindest bis zum nächsten Art-Labor des IVDK!“


Die Veranstaltung wurde mit Unterstützung des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur im Rahmen des Unterstützungsprogramms der Russlanddeutschen durchgeführt.

Übersetzt aus dem Russischen von Evelyn Ruge

Rubriken: Eliteförderung/AvantgardeIVDK