Wir wollen die Russlanddeutschen fördern, wenn sie gute Studienleistungen haben Der DAAD – Deutscher Akademischer Austausch Dienst – fördert seit 1993 mit Sonderstipendien die Studenten deutscher Herkunft in Russland. Um welche Programme geht es, wie läuft es ab – darüber spricht Dr. Thomas Prahl, der Leiter der DAAD-Aussenstelle Moskau mit der rusdeutsch.ru-Redakteurin Olga Silantieva.

Wir wollen die Russlanddeutschen fördern, wenn sie gute Studienleistungen haben

Der DAAD — Deutscher Akademischer Austausch Dienst — fördert seit 1993 mit Sonderstipendien die Studenten deutscher Herkunft in Russland. Um welche Programme geht es, wie läuft es ab — darüber spricht Dr. Thomas Prahl, der Leiter der DAAD-Aussenstelle Moskau mit der rusdeutsch.ru-Redakteurin Olga Silantieva.


Wie fördert der DAAD die jungen Vertreter der deutschen Minderheiten in Russland?

Es gibt vom Auswärtigen Amt der BRD spezielle Mittel, die in einigen europäischen Ländern angewendet werden, um spezielle Stipendien für die Angehörigen der deutschen Minderheit — Ungarndeutsche, die deutsche Minderheit in Polen, Rumäniendeutsche - auszuschreiben. Diese Programme laufen in Russland seit 1993 bis heute. Es gibt zwei Programme, die speziell Stipendien für Russlanddeutsche beinhalten. Zuerst sind es die Hochschulsommerkursstipendien, d.h. Stipendien zur Teilnahme an den Sommerkursen, die alle deutschen Universitäten für ausländische Studierende anbieten. Der DAAD vergibt in Russland 170 Stipendien plus 20 Stipendien ausschließlich für Russlanddeutsche, wobei sich in diesem Programm sowohl Studenten (3. und 4. Studienjahr) aller Fachrichtungen bewerben können als auch junge Deutschlehrer von Universitäten oder Hochschulen, aber keine Schullehrer.

Das zweite Programm ist das sogenannte Semesterstipendium, das heißt Studenten, die an einer russischen Universität deutsche Philologie studieren, können sich für ein Stipendium für ein Semester an einer deutschen Universität bewerben, wobei der Begriff „Germanistik“ sehr breit gefasst ist, also nicht nur Philologen, sondern auch Deutschlehrer, Übersetzer und Dolmetscher, die in Russland alle zum großen Feld der Germanisten zählen. Auch dort haben wir 10 Stipendien für Russlanddeutsche. Das ist auch für Studierende, die im 3. und 4. Studienjahr lernen. Sie brauchen also nichts anderes zu tun, als sich ganz normal wie alle anderen Bürger dieses Landes zu bewerben und nur oben rechts in die Ecke „RD“ schreiben. Dann sehen wir gleich, dass es sich um einen Bewerber deutscher Herkunft handelt, weil natürlich viele Russlanddeutsche heute nicht mehr direkt am Familiennamen zu erkennen sind.


Brauchen Sie auch Beweise?

Nein. Wir verzichten auf jeglichen Beweis. Es gibt viele Russlanddeutsche, die sich nicht als Russlanddeutsche bewerben, sondern wo wir zufällig im Lebenslauf lesen, meine Großmutter war Deutsche oder mein Großvater stammt aus Sachsen oder Schwaben. Die sortieren wir dann gleich in die „Russlanddeutsche“ Kategorie, weil die Chancen dort einfach größer sind. Zweitens muß man sagen, dass alle Programme, die wir in Russland durchführen — das sind 18 Programme — natürlich für alle Bürger dieses Landes zugänglich sind. Jeder Russlanddeutsche, der Professor ist, kann sich für einen Forschungsaufenthalt bewerben. Jeder Aspirant, Doktorand, der russlanddeutscher Herkunft ist, kann sich im normalen Programm „Forschungsstipendien“ bewerben. Es gibt keine nationalen Quoten. Aber bei den oben genannten Programmen für Studenten gibt es extra Quoten, wobei meiner Meinung nach, Quoten nicht sehr gut sind. Sie erwecken den Anschein, als gäbe es heute in der Russischen Föderation eine Diskriminierung der Russlanddeutschen. Die gibt es aber nicht. Jeder kann seinen Leistungen entsprechend an jeder Universität studieren. Jeder, der in der Russischen Föderation lebt und eine russische Staatsangehörigkeit hat, kann studieren, wo er will. Wenn er gut ist. Und das halten wir , nach wie vor für wichtig. Wir wollen nicht jemanden fördern, weil er Russlanddeutscher ist, sondern weil er Russlanddeutscher ist und gute Studienleistungen hat.


Und warum?

Wir glauben, dass eine Möglichkeit, Russlanddeutsche in diesem Lande zu halten, darin bestehen kann, ihnen jeder Zeit die Möglichkeit zu geben, auch die finanzielle Möglichkeit, ihre alte Heimat zu besuchen. Damit sie sehen, wie man heute in Deutschland lebt und alle positiven wie negativen Vorurteile aus den Köpfen verschwinden. Wir sind der Meinung, dass Russlanddeutsche hier im Lande sehr gute Chancen haben, eine gute Arbeit zu finden. Viele deutsche Firmen, die hier vor Ort sind, bieten Arbeitsplätze für ethnische Deutsche an, wenn sie den Anforderungen entsprechen, wenn sie tatsächlich Deutsch sprechen oder als zweite Fremdsprache Englisch können. Weil sie natürlich dieses Land kennen, und demzufolge etwas für die deutschen Firmen einbringen, was ein Deutscher, der aus Deutschland kommt, nicht kann.


Der parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium des Innern, Aussiedlerbeauftragter Herr Dr. Bergner (CDU) setzt sich persönlich für die Förderung der Avantgarde der Russlanddeutschen ein. Er ließ sich vor kurzem beim DAAD erkundigen und man hat ihm gesagt, der DAAD vergäbe nicht alle dafür vorgesehenen Stipendien an die Russlanddeutschen. Gibt es einen Widerspruch zwischen dem, was Sie sagen und was der Aussiedlerbeauftragter erfuhr?

Nein, es gibt keinen Widerspruch. Im Prinzip haben beide Recht. Ich kenne die Situation von 1993 an — ich war hier einer der Gründer dieser Außenstelle und kann mich sehr gut an diese Diskussion damals mit den Russlanddeutschen erinnern, als noch ein größerer Teil der Russlanddeutschen in Russland lebte. Damals waren das Interesse, die Quantität und die Qualität der Bewerbungen bei den jungen Russlanddeutschen deutlich besser als heute. Wir haben wesentlich mehr Anträge gehabt, aus dieser Klientel, aus der wir die Besseren wählen konnten. Das haben wir heute zum Teil nicht mehr. Wir haben in diesem Jahr 40 Anträge im Bereich Hochschulsommerkurse gehabt, für 20 Plätze. Wenn Sie sich die normale Zahl der Russen, die sich für dieses Programm bewerben, anschauen, dort haben wir im Prinzip tausend Bewerber auf 170 Plätze. Etwa 1:6, bei den Russlanddeutschen 1:2. Und von diesen 40 waren nicht mal 20 gut. Wenn wir den einen oder den anderen Russlanddeutschen bei den „normalen“ Russen noch gefunden haben, so haben wir ihn, wenn er gut war, ins Programm für Russlanddeutsche übergeleitet. Es ist manchmal schwierig, diese Stipendien zu vergeben. Wir wollen nicht Stipendien um jeden Preis vergeben, weil wir damit weder uns, noch den deutschen Hochschulen, noch den Russlanddeutschen einen Gefallen tun. Wenn sie in Deutschland die Meinung manifestieren, die Russlanddeutschen, die der DAAD nach Deutschland zum Studium schickt, seinen schlecht , dann wird darunter das gesamte Programm leiden. Alle guten Stipendiaten werden dann mit neuen Stereotypen belegt werden. Wir möchten, dass diejenigen, die wir als Russlanddeutsche auswählen, genau so gut sind, wie alle anderen Bewerber aus der ganzen Welt. Es ist nicht so, dass wir Stipendien verfallen lassen. Nehmen wir an, wir würden bei den Semesterstipendien nur 9 finden, die gut sind, dann wären wir auch eventuell bereit, einen Russen auf das 10. Stipendium zu setzen, damit kein Stipendium verloren geht. Wir versuchen dann jemanden aus der Gegend zu finden, wo möglichst viel Russlanddeutsche sind — Omsk, Asowo, Marx, Engels. Es soll auch ein Programm zur Integration werden. Ich denke, die Bemerkung vom Beauftragten bezieht sich weniger auf Russland. In Ungarn ist es noch schwieriger — viele Ungarndeutsche sind bereits nach Deutschland, Österreich oder Slowenien ausgereist.


Hat sich die Anzahl der Stipendien in den 15 Jahren im Prinzip nicht geändert?

Nein, im Prinzip ist sie gleich geblieben. Die Geldgeber haben diese Aufgabe für so wichtig gehalten, dass sie weiter dieses Geld geben. Die reale Chance heute als Russlanddeutscher in diesen beiden Programmen ein Stipendium zu bekommen, ist wesentlich größer als 1993.


Verfolgen Sie die Schicksale der Russlanddeutschen weiter? Bleiben sie in Deutschland? Kehren sie zurück?

Das wissen wir im Einzelnen nicht. Wir verfolgen es bei den Doktoranden und Wissenschaftlern im Rahmen unserer Alumniprogramme, weil da die Zahlen nicht so groß sind. Wir wissen, dass viele Russlanddeutsche zurückkommen. Das wissen wir von unseren Lektoren, die vor Ort sind und ihre Stipendiaten persönlich kennen. Wir wissen, dass einige in Deutschland bleiben. Das ist uns gar nicht so recht. Wir wollen diese wenigen Stipendien denjenigen geben, die dann nach Russland zurückkehren und hier bleiben. Die sowieso in Deutschland bleiben, brauchen unsere Stipendien nicht. Wir versuchen gerade jetzt, die früheren Stipendiaten, die länger als drei Monate in Deutschland studiert haben, zu erfassen.


Kann man Zahlen nennen, wie viele Spätaussiedler nach Russland zurück kommen?

Vielleicht ein Drittel, es gibt aber keine genaue Zahlen, weil das wir in Deutschland nicht erfassen. Wir merken es aber hier vor Ort — wenn Deutsche, die nach Russland als Stipendiaten kommen, plötzlich muttersprachlich Russisch sprechen, dann sind es in 99 Prozent der Fälle Russlanddeutsche. Einerseits ist es nicht gut, weil sie dadurch keine weitere Fremdsprache lernen. Andererseits ist es natürlich für uns interessant, auch für die deutsche Wirtschaft, wenn wir Absolventen in Deutschland haben, die Deutschland und Russland — beide Länder - sehr gut kennen. Das sind Leute, die eine Brücke zwischen unseren Ländern bauen. Wir finden heute kaum in Deutschland geborene Deutsche, die noch Russisch können. Und dann helfen uns unsere russlanddeutschen Mitbewohner, weil sie Mittler zwischen beiden Kulturen sind.


Können sich russische Studenten, die schon in Deutschland studieren, beim DAAD-Moskau bewerben und dann, wenn sie ein Stipendium bekommen, ein Semester mit der finaziellen Unterstützung studieren?

Eigentlich nicht. Weil wir keine Stipendien für ein erstes Studium vergeben. Aber wir vergeben Stipendien für ein Masterstudium, was im Durchschnitt 2 Jahre lang dauert. Viele Russen studieren das erste Jahr aus eigenen Mitteln in Deutschland. Wir wissen, dass zurzeit in Deutschland etwa 12 Tausend Bürger der Russischen Föderation studieren, davon einige im Masterprogramm. Einige bewerben sich aus Deutschland bei uns hier in Moskau, für das 2. Masterjahr. Wenn sie ein Stipendium bekommen, können sie das 2. Jahr mit unserem Stipendium finanzieren. Das ist unabhängig davon, ob sie Russlanddeutsche sind oder Russen. Wir hatten in diesem Jahr fast 9 Bewerber pro Stipendium (45 Stipendien — 400 Bewerbungen). Wir wählten 120 aus und luden sie zu einem Interview ein. Wir erstatten teilweise die Reisekosten für diejenigen, die aus Russland kommen, aber nicht für diejenigen, die aus Deutschland einreisen. Sie können dann ihre Studienleistungen aus dem 1. Jahr mitbringen. Sie führen hier ein Gespräch in der Sprache, in der sie in Deutschland studieren. Wenn jemand einen deutschsprachigen Studiengang hat, der wird hier in Deutsch geprüft. Beim englischsprachigen Studiengang, wird er Englisch geprüft.

Wenn wir für die Russlanddeutschen leichtere Bedingungen schaffen, dann fördern wir sie in die falsche Richtung. Wir wollen, dass sie nach Deutschland fahren, weil sie gut sind. Wenn der Arbeitgeber weiß, dass ein Russlanddeutscher ein Diplom in Deutschland geschenkt bekommen hat, dann ist es für alle Russlanddeutschen schlecht.


Für die Deutschen in Kasachstan gibt es auch Stipendien?

Ja, das sind aber wenige. Ich möchte keinen diskriminieren, aber viele sind dort auf dem Lande aufgewachsen, also in einer Dorfschule gewesen, und sie haben oft ganz-ganz schwierige Bedingungen, an eine Universität zu kommen, deswegen ist es für sie noch schwerer, als für die Russlanddeutschen aus Russland, die hier eine gute Schule besucht haben. Die Deutschen in Kasachstan sind eher Land- als Stadtbewohner.


Wie gut sind die russischen Stundenten in Deutschland?

Sehr gut. Die Studenten sowie die Doktoranden gehören mit zu den Besten . Es hängt mit dem harten Konkurs zusammen. Die Auswahl hier ist sehr streng.

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