Mit dem Begriff „Walenki“ assoziieren wir etwas Warmes, Amüsantes und Altmodisches. Dennoch geben derzeitige französische Modeexperten diesen Schuhen den Beinamen „haute couture“. Demnach muss heutzutage jeder Mensch, der einzigartig sein möchte, sich luxuriös kleidet oder einen guten Modegeschmack hat, Walenki in seinem Schrank haben. Heute sprechen wir über Dmitrij Reiter aus dem Gebiet Omsk, der es nicht nur liebt Walenki zu tragen, sondern sie auch selbst herstellt.
Dmitrij Reiter – Einwohner des Kreises Moskalenki im Gebiet Omsk – stellt in der dritten Generation Walenki her. Sein Großvater, Vater und Onkel haben sich ebenfalls diesem Handwerk gewidmet. Sein Dorf war früher für die Herstellung von Walenki bekannt. Und heute ist Reiter, ein Meister für Filztechnik, der einzige im gesamten Kreis.
Sein Haus ist im größeren Dorf Rodnaja Dolina nicht schwer zu finden. Zum einen wissen Meister alles, zum anderen hat das Haus eine Besonderheit: Die Hausfassade ist mit einem aus Eisen geschweißten Walenok geschmückt.
„Trotz aller Technologien, die man heutzutage hat, hat man für trockene Winter noch keine wärmere und praktischere Alternative als die russischen Walenki gefunden“, bemerkt Reiter, „deswegen besteht immer Bedarf an ihnen.“
Die Herstellung von Walenki galt als eines der profitabelsten Handwerke in der Zeit der Rus, und die Meister waren bei den Menschen jedes Standes und Dienstgrades beliebt.
„Heute verdient man mit diesem Handwerk nicht viel. Mehr als die Hälfte des Preises für Walenki wird wiederum für die Materialausgaben ausgegeben“, erzählt Reiter.
Welche Arbeitsschritte benötigt man für die Herstellung von Walenki? Alles fängt mit dem Kauf von Schafswolle an, da in der persönlichen Hauswirtschaft unseres Walenkiherstellers auch andere Haustiere leben. Anschließend wird die Wolle von Hand durchgewatet und von Dreck und klebenden trockenen Rückständen befreit. Dann wird die Wolle ausgekämmt. Per Hand ist das jedoch unmöglich zu schaffen, deswegen wird das mit einer speziellen Maschine erledigt.
„Damals konnte man die Wolle in Marjanowka auskämmen lassen, da musste man nicht weit fahren. Heute bringe ich die Wolle nach Omsk. Am Ende dieser Prozedur bekommt man Rollen aus Filzlaken. Dann fängt man unmittelbar mit der Arbeit zur Zusammensetzung der Schuhe an“, erklärt uns Dmitrij Reiter.
Der Meister arbeitet nach Bestellung an einem speziellen Arbeitstisch. Er breitet den Stoff aus und legt ein rechteckiges „Stück“ seines Filzstoffes aus. Mit schnellen Handbewegungen fertigt er aus seinem Schnittmuster in einigen Minuten die Form seines Schuhs an. Darauf folgt eine ähnliche Prozedur: Zwei Hälften werden zusammengetragen. Und so hält man schon etwas, das uns an die traditionellen Winterschuhe erinnert, in den Händen, nur zweimal so groß.
„Dies gleicht, irgendwie, einer Art Aufführung, nichts kann so schnell gemacht werden“, lacht Reiter, „Das ist das Zusammenfügen der Walenki, der mühsamste und penibelste Teil der Arbeit. Die Finger müssen mit Gefühl arbeiten, damit der Fuß im Nachhinein keine Verbindungen oder Verdichtungen spürt. Die Filzrollen werden durchgehend in Wasser eingeweicht. Außerdem wird sie in einem speziellen Apparat hin und her bewegt, es kommt immer wieder neuer Filz hinzu, denn an manchen Stellen ist sie dicker oder dünner (Anm. d. Red.: Dieser Apparat ist einem großen Nudelholz ähnlich). Anschließen schrumpfen die Makrowalenki: Sie werden von Neuem im Wasser eingeweicht und bewegen sich unter dem vergrößertem Nudelholz hin und her.“
Um zum nächsten Arbeitsschritt zur Herstellung der Walenki zu kommen, muss unser Meisterhandwerker in die Sauna. Nein, nicht um so einen Arbeitstag ausklingen zu lassen, sondern um die Walenki nun in Schwefelsäure auswässern zu lassen, die in heißem Wasser zu „kochen“ und zu färben. Das lässt sich alles am geeignetsten dort erledigen.
„Dann schlage und klopfe ich die Walenki mit speziellen Werkzeugen, forme sie also immer und immer wieder, damit der Filz dicht und stabil wird“, weiht Dmitrij Reiter uns in seine Geheimnisse ein. „Dann wird unsere Vorlage, denn das darf man noch nicht als Walenki bezeichnen, in einem Schuhspanner gesetzt. Dort trocknet sie und wird in der gewünschten Höhe abgeschnitten.“
Das sollte man lieber einmal mit eigenen Augen sehen – wir gehen also in die Sauna. Unser Handwerker zeigt uns seine sechs Kilogramm schweren Vorrichtungen aus Roheisen mit denen er arbeitet. Außerdem sehen wir Schuhspanner, mit denen man die Walenki so weit wie nötig ausweiten kann, beispielsweise wenn ein Fuß breiter als üblich ist.
„Das Herstellen von Walenki ist eine dreckige und schwere Arbeit“, gibt Reiter offen zu, „Der Arbeitsaufwand ist der Grund dafür, dass dieses Handwerk ausstirbt. Ich bin nicht gegen einen Lehrling, jedoch gibt es keine Interessenten“.
Und so liegt letztendlich das Produkt eines langen Schaffensprozesses in den Händen unseres Meisters. Hauchzart, aber dennoch stabil. Die durchschnittliche „Lebensdauer“ guter Walenki beträgt fünf bis sechs Jahre.
Die Zeit während unseres Gesprächs vergeht wie im Fluge. Wir verabschieden uns mit Bedauern, aber auch mit der Hoffnung, dass diese glorreiche Tradition – das Versorgen der Einwohner Moskalenki mit „trendy“ Schuhen – fortgeführt wird.