Dr. Hendrik Milting: „Eine frühe Diagnose hilft im Kampf gegen Gen-Mutation“

Eines der wichtigsten Ereignisse des 4. Kultur- und Geschäftsforums „Made Deutschen aus Russland. Vertrauen. Verantwortung. Entwicklung“ in München war die Podiumsdiskussion „Medizinische Cluster. Neue Formate im Gesundheitswesen“.

Die Diskussion wurde von stellvertretender Leiterin des Zentrums für Deutschlandforschungen am EuropaInstitut der Russischen Akademie der Wissenschaften Dr. Jekaterina Timoschenkowa moderiert.

Die Lebenserwartung der Menschen steigt und damit steigt auch die Nachfrage nach medizinischen Leistungen. Die Medizin erlebt heute eine Revolution durch Digitalisierung, Fernbehandlung, vollumfassende Einführung der elektronischen Gesundheitskarten, aktive Entwicklung der Privatwirtschaft und Schaffung staatlicher medizinischer Cluster. Besonderheiten und Bedürfnisse medizinischer Cluster wurden im Rahmen der Podiumsdiskussion von Experten aus Russland und Deutschland besprochen.

An der Podiumsdiskussion nahmen Wissenschaftler am Herz und Diabeteszentrum NRW, Institutsleiter am Erich und Hanna Klessmann-Institut für Kardiovaskuläre Forschung und Entwicklung Prof. Dr. Hendrik Milting, Generaldirektorin des klinischen Behandlungs- und Rehabilitationszentrums der Region Altai „Territorija zdorowja“ („Gesundheitsterritorium“) Dr. Ljudmila Grigoritschewa, und Unternehmer, Inhaber des Gesundheitszentrums „Pantozentr Antler“ Anton Graminskij, teil.

Die Diskussion begann mit dem Vortrag von Prof. Dr. Hendrik Milting, der über eine genetische Mutation erzählte, die einen plötzlichen Herzstillstand bei den Russlanddeutschen in Nordrhein-Westfalen verursacht. Diese Erzählung ähnelte einer Kriminalgeschichte. In der Familie von Natalia M. (Name geändert) starb plötzlich der 24-jährige Bruder (er zog 2010 nach Deutschland). Er war zu Hause, sprach mit einem Freund über Skype, wollte sich einen Kaffee machen – stand auf, fiel plötzlich und starb. 8 Jahre zuvor starb auch auf dem Weg zur Arbeit Natalias anderer Bruder ohne Grund. Beide hatten die gleiche Diagnose – Herzinsuffizienz, obwohl sich beide Männer noch nie über Herzprobleme beklagt haben. In Nordrhein-Westfalen gibt es ein Kardiologiezentrum, in dem Dr. Milting arbeitet. Zufällig befanden sich beide „Todesfälle“ auf seinem Schreibtisch, und er machte sich an die Ermittlungen. Es stellte sich heraus, dass Natalias Verwandte das Gen besitzen, das zur Entwicklung einer Kardiomyopathie führte. Dieses Gen stammt „historisch“ aus dem 18. Jahrhundert und ist heute bei deutschen Einwanderern aus der Region Omsk in Nordrhein-Westfalen anzutreffen. Disposition für Herzkrankheiten bei Natalias Verwandten, die die mennonitischen Vorfahren hatten, könnte in ihrem insularen Lebensstil liegen – Mitglieder der Gemeinde heirateten nur einander. Zuvor hatte sich Milting mit einer Delegation der Russlanddeutschen aus der Region Omsk getroffen, um eine Zusammenarbeit in diesem Bereich aufzubauen. Vermutlich leben heute in der Region Omsk die meisten Träger dieser genetischen Mutation. „Wenn es im Anfangsstadium diagnostiziert wird, kann die Entwicklung der Krankheit vermieden werden“, stellt der Arzt fest.

Eine andere Fachärztin auf dem Gebiet der Medizin Dr. Ljudmila Grigoritschewa berichtete, wie die Lebensqualität von Patienten verbessert werden könne, jedoch nicht auf diagnostischer Ebene, sondern durch Durchführung von Operationen. Insbesondere wurde von Operationen des Haltungs- und Bewegungsapparats gesprochen. „Was passiert: Der Patient wird nach fünf Tagen im Krankenhaus entlassen und was soll er als nächstes tun? Er braucht eine Rehabilitation, die nur in gut ausgestatteten Spezialzentren durchgeführt werden kann“, bemerkte Dr. Grigoritschewa. Sie sprach über die Möglichkeiten einer solchen Rehabilitation im Altai, wo mit Staatsmitteln ein medizinischer Cluster eingerichtet wurde, in dem sich jeder Staatsbürger im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung medizinisch behandeln lassen kann. Heilung kann nicht nur die Technologie und das Talent der Cluster-Ärzte, sondern auch die heilende Luft des Altais sein.

Anton Graminskij stellte die Geweihbäder als eine alternative Heilmethode vor. Das Geweih ist das Horn der Maral, einer im Altai lebenden Hirschart. Seit mehreren Jahrhunderten gibt es die Tradition, junge Hirschhörner abzuschneiden (keine traumatische Tieroperation und es gibt viele nützliche Substanzen in den Hörnern) und sie als Heilmittel zu verwenden. Aus den Hörnern der Hirsche werden Badezusätze, Kosmetika und sogar Pantogematogen hergestellt. All dies kann im „Pantozentr Antler“ in Jekaterinburg und Belokurikha erworben werden. „Bäder sollten bei Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Krampfadern eingenommen werden. All das natürlich mit Erlaubnis des Arztes“, erklärt Anton Graminskij. Er lud Forumsteilnehmer ein, nach Ural oder Altai zu kommen, um das auszuprobieren.

Nach den Vorträgen beantworteten die Experten die Fragen der Teilnehmer des Forums.


Zur Kenntnis:

Das Kultur- und Geschäftsforum der Russlanddeutschen findet schon zum vierten Mal statt. Im Jahr 2018 fand das Forum in Kaliningrad statt und versammelte etwa 140 Teilnehmer.

In diesem Jahr findet das Forum unter der Teilnahme des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Dr. Bernd Fabritius und des Leiters der Föderalen Agentur für Nationalitätenangelegenheiten der Russischen Föderation Igor Barinow statt.

Veranstalter: Internationaler Verband der Deutschen Kultur und Moskauer Deutsche Zeitung mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung. Partner: Businessclub der Russlanddeutschen und Verband der deutschen Unternehmer aus Russland.

Das Kultur- und Geschäftsforum „Made by Deutschen in/aus Russland“ ist eine internationale Plattform für offenen Dialog und Erfahrungsaustausch im Bereich des Klein- und Mittelunternehmertums. Die Idee des Forums entstand im Businessclub der Russlanddeutschen. Das Forum findet seit 2016 jährlich statt – abwechselnd in Russland und in Deutschland.

Zu der positiven Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Unternehmern und Regionen beider Länder tragen die Kultur- und Geschäftszentren der Russlanddeutschen und Deutsch-Russischen Häuser in Moskau, Kaliningrad, Omsk, Nowosibirsk und Tomsk bei.

Das Kultur- und Geschäftsforum findet Unterstützung auf höchstem staatlichem Niveau – die Veranstaltung wird immer anlässlich der Sitzungen der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen durchgeführt.

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