Olga Malyschewa: „Viele kulturelle und historische Objekte warten auch auf ihre Investoren“


Die offenen Dialoge im Rahmen des 4. Kultur- und Geschäftsforums „Made by Deutschen aus Russland. Vertrauen. Verantwortung. Entwicklung“ in München wurden mit der Podiumsdiskussion „Baustelle: vom Projekt zum Objekt“ fortgesetzt.

Ob deutsche Immobilienentwickler nach Russland kommen, ob russische Bauunternehmen in Deutschland vertreten sind, wie lange sich die Projekte amortisieren und wo sie finanziert werden können – diese und viele andere aktuelle Themen im Bereich des Bauwesens wurden von Immobilien- und Anlageberaterin Olga Malyschewa, Juristen, assoziierten Partner des Unternehmens Rödl & Partner GmbH Sergej Werschinin, Inhaber des Gasthauses „Zelinburg“ in Kaliningrad Viktor Buz, Architekten Andreas Rudi und InnenarchitektinIrina Fefelowa besprochen.

Die Podiumsdiskussion hat Prof. Dr. Olga Litzenberger, leitende Expertin für die Geschichte des Luthertums in Russland, wissenschaftliche Mitarbeiterin des bayerischen Kulturzentrums für die Deutschen aus Russland in Nürnberg eröffnet. In ihrem Impulsreferat berichtete Olga Litzenberger über die Etappen der Restaurierung der lutherischen Kirche im Dorf Sorkino in der Region Saratow. Die zerstörte Kirche wurde im Jahr 2015 mit Hilfe vom Mäzen Karl Loor praktisch neu errichtet. „Die Restaurierung der Kirche hat hundert Millionen Rubel gekostet. Für das Projekt wurden zunächst die Kosten in Höhe von 70 Millionen Euro geplant. Aber in Russland gab es keine Möglichkeit die Glocken abzugießen. Sie musste man in Österreich bestellen. Bereits während der Arbeit wurde klar, dass zusätzliche Kommunikationen gelegt werden müssten. Die Projektkosten sind also um ein Drittel gestiegen. Die restaurierte Kirche kostet jetzt ungefähr eine Million Rubel im Jahr“, sagte Olga Litzenberger.

Nach dem Bericht lud der Moderator der Diskussion, Journalist Bojan Krstulovic, alle Experten ein, über den aktuellen Stand der Bauindustrie in Russland und Deutschland zu diskutieren.

Der Architekt Andreas Rudi aus Hanau schätzte die Situation auf dem deutschen Entwicklermarkt wie folgt: „Die massive Bauentwicklung in den sechziger Jahren war sehr groß, es fehlt uns heute an Bauflächen und wir sind gezwungen, den Städtebau zu verdichten und kleine Flächen zwischen bestehenden Häusern für den Bau zu nutzen“. Zur Frage des Moderators, ob es in Deutschland russische Investoren auf diesem Gebiet gibt, fügte Andreas Rudi hinzu: „Es gibt bereits kleine Akteure auf dem Wohnungsmarkt. Eine der Investitionsmöglichkeiten ist die Modernisierung von Fertighäusern. Solche Projekte erfordern weniger Investitionen und haben geringere Risiken“.

Olga Malyschewa, eine der führenden Beraterinnen für Immobilien und Investitionen auf dem Moskauer Markt, nahm am Dialog teil und berichtete über alternative Investitionsmöglichkeiten in Immobilien: „Viele kulturelle und historische Objekte warten auch auf ihre Investoren. Leider ist dieser Markt in Russland nicht so beliebt. Ein längerer Geldumsatz und eine geringere Rentabilität wirken sich aus. Obwohl wir eine sehr positive Erfahrung haben – einer der deutschen Investoren ist vor etwa 10-12 Jahren in den russischen Markt für Tourismusdienstleistungen eingetreten, und zwar in der Stadt Pljos im Norden der Region Iwanowo. Da konnten die Hotels den Touristen keinen angemessenen Service bieten. Der Investor kaufte diese Objekte, restaurierte sie, behielt das historische Aussehen bei und modernisierte es von innen. Heute funktionieren sie alle und erwirtschaften Einkommen“.

Sergei Werschinin erklärte die Situation beim Bau von Gebäuden und Strukturen für juristische Personen: „Es kommen nicht nur Restauratoren und Wohnungsbauer aus Deutschland nach Russland, sondern auch große Unternehmen. Wir bieten ihnen ein umfassendes Leistungsspektrum, von der Suche nach Grundstücken für den Bau von Anlagen bis zur Inbetriebnahme. Und es ist erwähnenswert, dass es trotz der Tatsache, dass Russland ein riesiges Land ist, schwierig ist, geeignete Baufläche zu finden. Wir arbeiten jedoch eng mit den Regionen über die regionalen Investitionsentwicklungsagenturen zusammen“.

Wie man in Kaliningrad tausend Wohnungen baut, ohne einen einzigen Kredit aufzunehmen, sagte Viktor Buz: „Ich habe ganz klein angefangen, alles einkalkuliert, und nie riskiert. Zuerst verkauft, nur dann neu gebaut, dann wieder verkauft. In Deutschland kann der Bauherr 40 Prozent der benötigten Summe einsammeln und dann mit dem Bau beginnen. In Russland funktioniert das nicht – die Leute glauben nicht. Man muss mit den eigenen Mitteln anfangen zu bauen und erst dann werden die Menschen kaufen“.

Zu den Besonderheiten der russischen Bau- und Dekorationsmentalität fügte Designerin Irina Fefelowa hinzu: „Ich vergleiche meine Designobjekte in Russland und Deutschland und sie sind völlig unterschiedlich. Die Deutschen planen ihr Design fast bis zum letzten Cent und weichen selten von dem Kostenplan ab. Die Kosten des Projekts am Ausgang variieren geringfügig. In Russland weiß niemand, wie viel Reparaturen kosten werden. Emotionen dominieren die Pläne der Menschen, daher kann sich die Summe der Ausgaben im Vergleich zu der geplanten verdoppeln“.

Wie die Diskussionsteilnehmer herausfanden, gibt es in Deutschland Baufinanzierungen, die für den russischen Markt ausgegeben werden können, da die Rentabilität 2 bis 2,5 Mal höher ist als in Deutschland. Es gibt professionelle Beratung im Bereich des Bau- und Immobilienmanagements auf dem russischen Markt, es gibt Partnerressourcen, die bereit sind, an der Umsetzung von Projekten mitzuwirken, es gibt auch einen emotionalen russischen Käufer. Die Immobilienkosten sowohl in Russland als auch in Deutschland weisen ein signifikantes und stetiges Wachstum auf. Immobilieninvestments bleiben damit eines der perspektivvollsten Geschäftsfelder.


Zur Kenntnis:

Das Kultur- und Geschäftsforum der Russlanddeutschen findet schon zum vierten Mal statt. Im Jahr 2018 fand das Forum in Kaliningrad statt und versammelte etwa 140 Teilnehmer.

In diesem Jahr findet das Forum unter der Teilnahme des Bundesbeauftragten für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten Dr. Bernd Fabritius und des Leiters der Föderalen Agentur für Nationalitätenangelegenheiten der Russischen Föderation Igor Barinow statt.

Veranstalter: Internationaler Verband der Deutschen Kultur und Moskauer Deutsche Zeitung mit Unterstützung der Hanns-Seidel-Stiftung. Partner: Businessclub der Russlanddeutschen und Verband der deutschen Unternehmer aus Russland.

Das Kultur- und Geschäftsforum „Made by Deutschen in/aus Russland“ ist eine internationale Plattform für offenen Dialog und Erfahrungsaustausch im Bereich des Klein- und Mittelunternehmertums. Die Idee des Forums entstand im Businessclub der Russlanddeutschen. Das Forum findet seit 2016 jährlich statt – abwechselnd in Russland und in Deutschland.

Zu der positiven Entwicklung der wirtschaftlichen Zusammenarbeit zwischen Unternehmern und Regionen beider Länder tragen die Kultur- und Geschäftszentren der Russlanddeutschen und Deutsch-Russischen Häuser in Moskau, Kaliningrad, Omsk, Nowosibirsk und Tomsk bei.

Das Kultur- und Geschäftsforum findet Unterstützung auf höchstem staatlichem Niveau – die Veranstaltung wird immer anlässlich der Sitzungen der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen durchgeführt.

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