Die Russlanddeutschen der zentralen und nordwestlichen Region Russlands erhielten materielle Hilfe im Zusammenhang mit der Pandemie

In der zentralen und nordwestlichen Region Russlands wurde ein großzügiges Projekt zur Bereitstellung von materieller Nothilfe für bedürftige Russlanddeutsche während der Coronavirus-Pandemie abgeschlossen.

Olga Martens, die erste stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur, ergriff die Initiative, den Russlanddeutschen während der schwierigen Zeit der restriktiven Maßnahmen im Zusammenhang mit der Ausbreitung des Coronavirus zu helfen. Dies besprach sie mit dem Beauftragten der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten, Professor und Doktor Bernd Fabritius.

„Wir danken der Bundesregierung, die durch das Innenministerium vertreten ist, für die Unterstützung durch ein großzügiges Projekt, um den Russlanddeutschen während der Pandemie zu helfen“, betont Olga Martens. „Heute können wir mit Sicherheit sagen, dass dieses Projekt trotz der Schwierigkeiten, die aufgrund der Selbstisolation auftraten, erfolgreich umgesetzt wurde. Bei dem Workshop, der am 10. Mai online stattfand, stellten wir den Vorsitzenden des Interregionalen Koordinierungsrates eine schwierige Aufgabe: die von der Pandemie am stärksten betroffenen Personen so schnell wie möglich zu finden und den bedürftigsten Russlanddeutschen zeitnah Hilfe zu leisten. Wir waren uns durchaus darüber im Klaren, dass es in dieser Situation problematisch war, irgendwelche Anweisungen von oben zu geben, denn in den verschiedenen Regionen Russlands entwickelte sich die epidemiologische Situation unterschiedlich“.

„Nach der Online-Unterhaltung mit den Oberhäuptern der Regionen Russlands sammelten wir schnell alle Vorschläge und entwickelten Empfehlungen. Wir haben bereits am 11. Mai die Informationsbriefe verschickt“, so Maxim Mitin, Leiter der Abteilung für regionale Programme des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur. „Die ganze Zeit über waren wir mit den Regionen in Kontakt, da wir ständig nach dem Verfahren für die Hilfeleistung in dieser sehr schwierigen Zeit gefragt wurden. So erhielten wir beispielsweise am Tag nach dem Absenden des offiziellen Schreibens einen Vorschlag aus der zentralen und der nordwestlichen Region Russlands zur Unterstützung von Trudarmisten, Rentnern mit einem niedrigen Einkommen und Behinderten der ersten und zweiten Gruppe. Natürlich haben wir diesen Beschluss gebilligt, weil er darauf abzielt, den bedürftigen Russlanddeutschen Hilfe zu leisten“.

Unter den Mitgliedern des Interregionalen Koordinierungsrates der zentralen und nordwestlichen Region wurde zwei Mal elektronisch gewählt: Solche Entscheidungen werden immer kollektiv getroffen. „Uns war es sehr wichtig, dass durch die Hilfeleistung jegliche epidemiologische Risiken beseitigt wurden“, sagt Polina Lenz, Mitglied des Sozialrates der Selbstorganisation der Russlanddeutschen der zentralen und nordwestlichen Region, und Vorsitzende der lokalen National-kulturellen Autonomie der Stadt Sergijew Possad. „So gab es beispielsweise im Juni in der Umgebung Moskaus strenge restriktive Maßnahmen: Für jeden Ausgang nach draußen musste ein Sonderausweis beantragt werden. Regelmäßige Busfahrten wurden gestrichen; Sozialkarten wurden gesperrt. Viele Russlanddeutsche leben jedoch in abgelegenen Dörfern. Darüber hinaus gibt es unter den potenziellen Hilfeempfängern Menschen, die an schweren chronischen Krankheiten leiden und daher strikt die Selbstisolation einhalten. Sie haben sogar die Lebensmittel, die ihnen ihre Familienmitglieder gekauft haben, auf der Türschwelle entgegengenommen. Um weder die Gesundheit unserer Ehrenamtler, noch die Gesundheit der älteren Menschen zu gefährden, haben wir gemeinsam mit den Leitern der National-kulturellen Autonomie der gesamten zentralen und nordwestlichen Region beschlossen, Hilfe zu leisten, indem wir den sozialen Kontakt auf ein Minimum beschränken. Deshalb entschieden wir uns für die einmalige materiellen Hilfe, die auf die Bankkonten der Hilfeempfänger überwiesen werden sollte.“

Der Empfänger des Zuschusses des Projektes war die Deutsche lokale national-kulturelle Autonomie der Stadt Kolomna im Gebiet Moskau. „Kolomna verfügt über eine große Datenbank von Russlanddeutschen, die jemals eine Art von Unterstützung erhalten haben“, so Marina Lass, Vorsitzende der Deutschen lokalen national-kulturellen Autonomie der Stadt Kolomna. „Natürlich erleichterte uns dies die Erstellung von Personenlisten, weil die Datenbank Dokumente zur Bestätigung der Nationalität, der Behinderung und andere Dokumente enthielt. Einige hatten sogar Bescheinigung über die Höhe der Rente vom Dezember 2019. Unter den Bedingungen der Selbstisolation haben wir versucht, die Menschen soweit wie möglich von der Sammlung von Dokumenten zu befreien, da wir sehr gut nachvollziehen können, dass in vielen Regionen strenge restriktive Maßnahmen galten und es keine Möglichkeit gab, eine aktuelle Bescheinigung über die Höhe der Rente zu beantragen oder gar Kopien von notwendigen Dokumenten zu machen. Daher bestand eine der Hauptaufgaben des Projektleiters Anton Dempke darin, mit der Datenbank zu kooperieren und alle verfügbaren Kopien der Dokumente auszudrucken. Dadurch konnten wir die fehlenden Dokumente anfordern“.

„Drei Wochen lang bestand mein ganzer Tag aus ständigen Telefongesprächen mit Menschen aus Städten und Dörfern unserer Region“, fährt Anton Dempke fort.

Tatsache ist, dass wir viele bedürftige Russlanddeutsche haben, die weit entfernt von Begegnungszentren leben. Und dies bedeutet, dass sie die Informationen von den Leitern der lokalen National-kulturellen Autonomie nicht schnell genug erhalten können. Man darf ihnen das Recht auf Unterstützung in einer schwierigen Zeit nicht entnehmen, nur weil sie weit weg leben und keine E-Mail haben. Wir gaben den Menschen die Möglichkeit, frei zu entscheiden über welches Medium die Dokumente verschickt werden können: E-Mail, WhatsApp, Viber, Odnoklassniki, Vkontakte, Facebook etc. Wir waren auf allen Messenger aktiv, sammelten die an uns gesandten Dokumente ein und sortierten sie nach Namen und Regionen. Ich fühlte mich wie ein Buchdrucker in einer Druckerei: Für das Ausdrucken der Dokumente verbrauchte ich zwei Packungen Papier (mehr als 1000 Blätter)! Andernfalls könnte das Projekt nicht umgesetzt werden. In den meisten Regionen konnte man zu dem Zeitpunkt keine Kopien anfertigen lassen, da alle Geschäfte, die sich damit beschäftigen, geschlossen waren. Unsere potenziellen Empfänger der materiellen Hilfe fotografierten die Dokumente einfach mit einem Smartphone und schickte sie an uns.

Ja, die Situation ist in jeder Hinsicht kompliziert: Die restriktiven Maßnahmen bestrafen nicht nur Institutionen und Organisationen und nicht nur die Empfänger der materiellen Hilfe (Rentner, Behinderte und Menschen, die an chronischen Krankheiten leiden), sondern auch die Leiter der lokalen National-kulturellen Autonomie (viele von ihnen gehören aufgrund des Alters – 65+ – zur Risikogruppe).

„Mehr als eine Woche waren wir in unserem Begegnungszentrum im Dienst“, teilte uns Ljudmila Besborodowa (Gerber), Vorstandsvorsitzende der öffentlichen Organisation Deutsche national-kulturelle Autonomie der Stadt Bogorodizk des Gebiets Tula mit. „Tatsache ist, dass die meisten unserer Teilnehmer in den ehemaligen Bergbausiedlungen leben, die 15-20 Kilometer von der Stadt entfernt sind. Daher wurden die Besucher ab Mittag drei Stunden lang empfangen. Sie traten einzeln mit Mundschutz und Gummihandschuhen ein, die Hände wurden desinfiziert, die Dokumente wurden auf den Rand eines langen Tisches gelegt und sie traten dann wieder aus. Ich, mit Mundschutz und Gummihandschuhen, fertigte Kopien an, prüfte ihre Vollständigkeit und reichte unter der Einhaltung des sozialen Abstandes die originalen Dokumente wieder zurück. Nach jedem Besucher wischte ich die Türklinken und den Tisch mit einem Desinfektionsmittel und lüftete den Raum: Sicherheit geht vor! Trotz all dem bin ich zufrieden mit dieser Arbeit, denn alle Russlanddeutsche aus Bogorodizk erhielten materielle Hilfe, die für sie zum jetzigen Zeitpunkt von besonderer Wichtigkeit ist“.

Die Lage in Uslowaja des Gebiets Tula ist jedoch sehr schwierig. Bis heute verfügt die lokale National-kulturelle Autonomie über keine Räumlichkeiten und Büroausstattungen, und der Leiter dieser Autonomie, Nikolaj Zindel, gehört selbst aufgrund seines Alters zur Risikogruppe. Aber Schwierigkeiten bringen Menschen zusammen! Der Stadtrat kam zur Hilfe. „Wir wurden von Olga Ossetrowa, Vorsitzende des Interregionalen Koordinierungsrates der Begegnungszentren für Russlanddeutsche der zentralen und nordwestlichen Region, gebeten den Russlanddeutschen unserer Region mit den Dokumenten zu helfen“, so Nikolaj Terechow, Leiter der Verwaltung der Munizipaleinheit des Gebietes Uslowaja. „Bereits am Tag nach ihrem Anruf luden wir Nikolaj Zindel ein, druckten alle notwendigen Antragsformulare aus und fertigten Kopien an. Wir konnten so eine Bitte nicht einfach ignorieren, da es um unsere Einwohner geht, die Hilfe brauchen.“

Als Ergebnis dieser engen Zusammenarbeit zwischen der öffentlichen Organisation der Russlanddeutschen und dem Stadtrat erhielten nicht nur die Aktivisten der lokalen National-kulturellen Autonomie, sondern auch erstmals die älteren Russlanddeutsche, die dringend Unterstützung brauchten, Hilfe. Somit enthält die Datenbank der zentralen und nordwestlichen Region jetzt 12 weitere Personen.

In Skopin (Gebiet Rjasan) übernahm Svetlana Schneider freiwillig den größten Teil der Arbeit. Sie erstellte die Listen und bearbeitete die Dokumente: „Das fiel mir nicht schwer“, sagt Svetlana mit einem Lächeln. „Ich arbeite in der Verwaltung. Mich kennt jeder. Den Bewohnern abgelegener Dörfer ist es bequem uns zu erreichen. Und es ist ganz einfach, ein Foto eines Dokumentes zu machen und es uns per WhatsApp zuzuschicken. In unserer Stadt leben viele Russlanddeutsche. Wir hatten hier Bergwerke der Kohlegruben der Umgebung Moskau, in denen die verfolgten Trudarmisten arbeiteten. Heute rief mich jeder an, der Hilfe bekommen hat. Wenn sie nur wüssten, wie viele Worte der Dankbarkeit an die Organisatoren der Wohltätigkeitsaktion gerichtet wurden!“.

„Die Hilfe war unerwartet“, sagt Olga Tichonowa (Morasch) aus Skopin voller Freude.

Meine Rente ist sehr niedrig. Es ist schon schwer, davon zu leben, aber ich habe mich nie beschwert. Lange Zeit verdiente ich als Krankenpflegerin in dem lokalen Krankenhaus ein bisschen Geld und pflanzte Gemüse in meinem Gemüsegarten an. Nun kann ich aufgrund meines Alters und der Einschränkungen nicht mehr in dem Krankenhaus arbeiten. Außerdem ist mein Ehemann schwer krank. Er braucht ständige Pflege und Aufmerksamkeit. Während der Pandemie wurde es für uns sehr schwierig. Wir können nicht einmal allein einkaufen gehen. Vor der Pandemie war es so, dass ich einige Geschäfte abklapperte und geschaut habe, wo was billiger ist und welche Rabatte es gibt. Aber jetzt ist es sehr schwer, beim Einkaufen zu sparen. Deswegen kam die Hilfe wirklich rechtzeitig. Vielen Dank für die Unterstützung! Das brauchten wir.

„Ich möchte meine aufrichtige Dankbarkeit für die materielle Hilfe zum Ausdruck bringen“, so Marina Bredgauer aus Sergijew Possad. „Das ist für uns in einer so schwierigen Zeit sehr wichtig. Während der Pandemie verlässt man mit Angst das Haus, um Medikamente und Produkte für die Grundbedürfnisse zu kaufen. Und all dies kauft man in der nächstgelegenen Apotheke und dem nächstgelegenen Geschäft, ohne nachzugucken, ob es das Günstigere ist oder nicht. Ich bedanke mich noch einmal herzlich für die an uns gerichtete Aufmerksamkeit!“.

Die einmalige materielle Hilfe wurde an die Russlanddeutschen aus der Umgebung Moskaus, Bogorodizk, Nowomoskowsk, Sewero-Sadonsk, Donskoi, Uslowaja, Skopin, Stary Oskol, Kostroma, Smolensk, Jaroslawl, Rjasan, Kineschma, Kaluga geleistet.

Das Projekt zur Hilfe bedürftiger Russlanddeutscher in der zentralen und nordwestlichen Region wurde mit der Unterstützung des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur im Rahmen des Unterstützungsprogramms der Deutschen Bundesregierung für Russlanddeutsche in der Russischen Föderation durchgeführt.

Rubriken: Sozialarbeit