Die „Kreativakademie für Russlanddeutsche“ fasste die Ergebnisse zusammen


In diesem Jahr hat die „Kreativakademie für Russlanddeutsche“, die vom 24. bis 27. September stattfand, erstmals das experimentelle Online-Formt ausprobiert. Während viertägiger Vorlesungen und Workshops bekannter Choreografen, Musikanten und Regisseuren lernten talentierte Russlanddeutsche nicht nur die aktuellen Trends der zeitgenössischen Kunst kennen, sondern erhielten auch die Möglichkeit, das in der Praxis gewonnene Wissen anzuwenden.

Vor jeder Vorlesung wurden für die „Akademiker“ ethnografische Übungen zur Aktivierung der Hirntätigkeit auf Deutsch durchgeführt. Die Organisatoren, Teilnehmer und Kuratoren des Projekts teilen ihre Eindrücke über die Arbeit der „Akademie“ und Gedanken über die weitere Entwicklung dieser Richtung mit.

Welche Aufgaben stehen der Kreativakademie in naher Zukunft bevor? Wie soll das Projekt entwickelt werden? Welche Probleme unter Berücksichtigung der neuen Lebensumstände müssen gelöst werden? Und wie können die kulturellen Traditionen der Russlanddeutschen bewahrt und ihnen gleichzeitig moderne Formen gegeben werden? Diese Fragen standen am ersten Arbeitstag der „Akademie“ im Mittelpunkt.

„Die Kreativakademie für Russlanddeutsche ist als Projekt des Jugendrings der Russlanddeutschen entstanden. Die Idee dahinter war, den kulturellen Bereich moderner und attraktiver darzustellen“, so Olga Martens, erste stellvertretende Vorsitzende des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur.

Zu diesem Zeitpunkt wussten wir nicht, wie lange dieses Projekt durchhalten würde. Aber es hört nicht auf zu existieren und entwickelt sich weiter. Zehn Jahre sind vergangen und plötzlich befinden wir uns in einer für uns neuen Situation. Denn jetzt kommunizieren wir über den Bildschirm.

Unsere Aufgabe ist es, herauszufinden, was wir verloren und was wir unter den neuen Bedingungen erworben haben und was wir auf dem Festival im Jahr 2021 präsentieren können. Es ist notwendig, zu verstehen, wie wir die Kultur der Russlanddeutschen weiter aufbauen sowie fördern werden und wie nationale Traditionen in moderne Formen umgesetzt werden.“ Laut Olga Martens ist es notwendig, dass die Kultur der Russlanddeutschen untrennbar mit der Sprache verbunden ist. Wenn wir über Tänze auf den Straßen oder deutsche Lieder sprechen, ist es besser, nicht die üblichen englischen Begriffe zu verwenden, sondern die deutschen Wörter „Straßentänze“ und „Liedermacher“.

Arnold Reinik, Leiter der Künstlervereinigung der Russlanddeutschen, ist der Ansicht, dass Kulturschaffende bei der Entwicklung ihres Potenzials unterstützt werden sollten.

Wir kreative Menschen sind nicht in der Lage, uns zu vereinen. Wir können uns nicht in einer ‚Marschkolonne bewegen‘. Deshalb brauchen wir einen Manager, der unsere Tätigkeiten nach gemeinsamen Zielen vereint und strukturiert.

Laut Reinik muss auch die kulturelle Identität innerhalb der Gemeinschaft gewahrt werden. „Wir müssen die untrennbare Verbindung der Zeit spüren sowie die Jugend in das Erlernen unserer Folklore einbeziehen. Das ist unser kostbarster Schatz.“

In diesem Jahr nahmen 20 Personen aus Moskau, Kaliningrad, Kemerowo, Tjumen, Orsk, Tomsk, Stary Oskol, Toljatti, Schadrinsk, Ischewsk, Nowosibirsk, Kaluga und Kostroma an der „Kreativakademie“ teil.

Die Organisatoren, Leiter und Teilnehmer des Projekts sprachen darüber, wie erfolgreich das ungewöhnliche Online-Format war, was erreicht wurde, woran noch gearbeitet werden muss und wie die Zukunft der „Akademie“ gesehen wird.

Julia Ernst, Projektmanagerin der Abteilung „Avantgarde“:

„Das Projekt war im experimentellen Online-Format erfolgreich. Die Teilnehmer der Akademie präsentierten die Ergebnisse ihrer Arbeiten: Tanz, Gesang, Pläne und Ideen. Die Teilnehmer der Akademie waren Russlanddeutsche aus dem Kreise der kreativen Jugend, sowohl Profis mit sehr hohem Ausbildungsniveau, als auch Amateure, die sich in ihrer Freizeit mit der Kreativität beschäftigen. Alle Teilnehmer zeigten jedoch eine hohe Motivation, sich neues Wissen anzueignen und vorhandene Kompetenzen weiter zu entwickeln.

Durch das Online-Format ist es natürlich sehr schwierig, kreative Projekte umzusetzen. In dem Sinne, dass es keine Magie der persönlichen Kommunikation zwischen dem Betreuer und dem Teilnehmer gibt, was für die Kreativität und das Erreichen von gemeinsamen Ergebnissen sehr wichtig ist. Wir haben jedoch versucht, die Teilnehmer so gut wie möglich in den kreativen Prozess einzubeziehen, der online stattfand: Die Speaker führten Livestreams aus ihren Studios und Theatern durch. Sie regten die Teilnehmer ständig mit Fragen und Aufgaben an. Wir haben nur diejenigen professionellen Speaker eingeladen, die bereits erfolgreiche Erfahrungen mit einer solchen Online-Interaktion gemacht haben. Die Schwierigkeiten lagen in erster Linie an der Technik und da die Teilnehmer – die Vertreter der Jugend – der Akademie aus verschiedenen Regionen Russlands kamen, wirkte sich der Zeitunterschied manchmal auf die Teilnahme aus. Der Vorteil des Online-Formats besteht in der Möglichkeit, Vorlesungen und Workshops aufzuzeichnen und zu jedem beliebigen Zeitpunkt anzuhören sowie um die Präsentationen und die kreativen Aufführungen der Teilnehmer der Akademie für die Entwicklung ihrer weiteren kreativen Tätigkeit aufzuzeichnen.“

Die Akademie kann als ein kombiniertes Projekt entwickelt werden, gleichzeitig im traditionellen Offline- sowie im neuen Online-Format. Online können wir verschiedene interessante Speaker einladen, die manchmal nicht die Möglichkeit haben, persönlich zum Projekt zu kommen, da sie z. B. im Ausland leben, aber die Ziele der Kreativakademie erfüllen und für unsere Teilnehmer interessant sein könnten.

Swetlana Hanschina, Intendantin und Regisseurin der Theater-Werkstatt „TeMa“ (Kuratorin des Bereichs „Theater“):

„Wir haben beschlossen, dass es für alle Teilnehmer ein großartiges und interessantes Format sein würde. Das Feedback jedoch zeigte, dass dieses Format nicht für alle geeignet war. Es ist freiwillig und nicht jeder hat genügend Motivation, sich sein eigenes Wissen anzueignen. Es gab Teilnehmer, die an allen Kursen teilnahmen. Und es gab diejenigen, die daran vielleicht nicht interessiert waren und es nicht wirklich brauchten. Meiner Meinung nach wirkte sich die Änderung des Formats daher auf die Anzahl der Teilnehmer und das Endergebnis aus.“

Polina Saharowa, Direktorin des Theaters „Mimikrija“ sowie Organisatorin der gesamtrussischen und internationalen Festivals (Kuratorin des Bereichs „Choreografie“):

„Für den Bereich ‚Choreografie‘ meldeten sich leider nicht so viele TeilnehmerInnen an, wie wir es gerne hätten. Und nicht alle konnten alle vier Tage vollständig mitmachen. Die Arbeit erwies sich als fast individuell. Sechs aktive Teilnehmer aus verschiedenen Städten hatten die Gelegenheit, mit großartigen Lehrern und Vertretern des modernen Tanzes in Russland zusammenzuarbeiten. Dies ist eine einzigartige Erfahrung. Ich sah zu, wie die Ideen der Kinder nach jedem Kurs und Vortrag aufblühten, und ich war froh, als ich sah, wie sie die neuen Kenntnisse, Techniken, Stile und Erfahrungen hier und jetzt anwendeten.

Das Online-Format hat sich als sehr praktisch erwiesen! Schließlich können auf diese Weise Menschen aus verschiedenen Städten und Ländern gleichzeitig zusammengebracht werden! Es gibt aber auch viele Minuspunkte. Dazu gehört die Qualität der Kommunikation zwischen den Teilnehmern und es kann immer zu Problemen mit technischen Geräten und unterschiedlichen Zeitzonen kommen. Gleichzeitig ist es aber auch eine Gelegenheit, ein wichtiges Projekt mit der eigenen Arbeit oder dem Studium zu verbinden, indem man zu Hause bleibt. Wir haben unser Bestes getan, um durch Spiele und Interaktionen mit allen technischen Möglichkeiten von Zoom eine gute Atmosphäre bei den Versammlungen zu schaffen! Und es war großartig. Wir sahen live zu, wie gesungen und getanzt wurde und erlebten genau so viele Emotionen, wie wir sie vor Ort erleben würden. Einer der großen Vorteile ist, dass jede Veranstaltung online einfach aufgezeichnet und gespeichert werden konnte!

Die Kreativakademie steht allen Russlanddeutschen offen, die etwas Neues lernen wollen. Und trotz des unterschiedlichen Niveaus der Teilnehmer erhält jeder neue Kenntnisse.

Vielleicht wird es in Zukunft eine Aufteilung der Programme für Amateure, Profis, Anfänger und freiwillige Zuhörer geben. Das Prinzip der Akademie sollte jedoch beibehalten werden. Das ist der Ausweg zu praktischen Ergebnissen, wie sich diesmal herausstellte: Es wurden Pläne für richtige Aufführungen entwickelt, choreografische Soli zu verschiedenen Themen geschaffen und Lieder in verschiedenen Genres geschrieben.

Ich habe Respekt vor dem, was ich gesehen, gehört und gelernt habe. Die jungen Menschen lernen nicht nur die Sprache, sondern schaffen in ihr kreative Werke und wenden sich an die Werke deutscher Komponisten, Künstler und Ballettmeister. Und am wichtigsten ist, dass sie das Andenken ihrer Vorfahren ehren und ihr Bestes tun, um die Beziehung zwischen Russland und Deutschland zu stärken.“

Maria Ahlupkina (Teilnehmerin des Bereichs „Theater“):

„Seit 2011 versuche ich, die Projekte der ‚Avantgarde‘ nicht zu versäumen. Jedes Projekt ist auf seine Weise einzigartig und einmalig. Anfangs hatte ich Bange, dass das Projekt im Online-Format abgehalten wird. Am ersten Tag fehlte mir die Energie und Atmosphäre, auf die wir Jahr für Jahr warten, während wir uns zu den Projekten versammeln. Dann begann ich, mich in den Prozess einzubringen und mich aktiv zu beteiligen. Ich habe keine einzige Lektion verpasst und die Frist eingehalten und dann wurde mir klar, dass selbst auf der anderen Seite des Bildschirms der eine Prozess stattfindet, in dem die kreative Jugend ihre ethnische Identität bewahrt und die Themen der Kultur, Geschichte und Traditionen der Russlanddeutschen anspricht. Die jungen Menschen schlugen interessante Projekte vor, sprachen problematische Themen an, die nicht gleichgültige Nachkommen von Russlanddeutschen zurücklassen und die Aufmerksamkeit der Gesellschaft und der Öffentlichkeit auf sich ziehen werden.

Das Laientheater, über das wir an allen Tagen des Projekts sprachen, ist eine großartige Möglichkeit, alle Pläne umzusetzen. Ich möchte allen viel Glück wünschen, damit diese Projekte verwirklicht werden können.

Und selbstverständlich unendliche Dankbarkeit an die Speaker, die unser Wissen bereichert und ihre unbezahlbaren Erfahrungen auf diesem Gebiet mit uns geteilt haben! Und trotz der schwierigen Situation im Land und in der Welt wäre es schön, sich bei einem neuen Projekt der Avantgarde zu treffen und weiterhin Projekte umzusetzen sowie unsere Geschichte und Traditionen in die Welt zu tragen! Schließlich sind wir Russlanddeutsche! Und wir sind stolz darauf!“

Nina Henkel (Teilnehmerin des Bereichs „Choreografie“):

„Das Projekt verlief großartig. Die Eindrücke sind unvergesslich. Ich hatte nicht erwartet, dass ich in so kurzer Zeit so viele Informationen erhalten und schließlich umsetzen könnte.

Für mich persönlich war das Online-Format sehr praktisch. Das einzige Minus ist, dass es nicht möglich ist, die Menschen, die man kennenlernt und mit denen man ein paar Tage zusammenarbeitet, im realen Leben kennenzulernen.

Ich erhielt viele Informationen zur Choreografie und wandte einige der neuen Informationen sofort auf das Abschlussprojekt der Kreativakademie an.

Die Akademie wird jedes Mal besser. Die Themen sind unterschiedlich, und jedes Mal werden neue, modernere und modischere Dinge aus der deutschen Kultur übernommen, wie in unserem Fall die Sprache und der Volkstanz, die Kultur und Geschichte.“

Natalja Wassilenko (Teilnehmerin des Bereichs „Choreografie“):

„Das Projekt verlief großartig. Alle Eindrücke befinden sich auf einer hohen emotionalen Ebene.

Der Hauptvorteil des Online-Formats besteht darin, dass damit viele Ressourcen erhalten bleiben können. Die Jugend musste eine solche Innovation, die uns den heutigen Tag diktiert, ausprobieren. Nun werden wir das Format wählen, in dem wir Veranstaltungen und Treffen durchführen. Alle Pädagogen konnten trotz der Kommunikation auf dem Bildschirm die Situation im positiven Sinne ‚aufheizen‘.

Ich leite einen deutschen Tanzclub und jetzt habe ich keine Angst mehr vor dem Online-Format, wie es im April der Fall war. Die Workshops waren sehr nützlich. Es sind nur vier Tage, und es ist so, als hätten man monatelang gelernt. Das Wichtigste für mich war, in kurzer Zeit zu lernen, wie ein Tanz choreografiert wird, und jetzt kann ich das Wissen in meiner Arbeit anwenden.

Das Hauptergebnis im Bereich ‚Choreografie‘ war die Schaffung eines Solos. Das habe ich früher nie gemacht. Das Thema der Russlanddeutschen liegt mir sehr am Herzen. Es hat etwas mit meiner Familie zu tun. Jetzt bin ich Leiterin der Organisation der Russlanddeutschen in Kostroma, und so beschloss ich, ein Solo zu diesem Thema zu machen. Wenn es die Kreativakademie nicht gäbe, hätte vielleicht das, was ich in dieser kurzen Zeit geschaffen habe, nicht funktioniert. Die Muse hat mich geküsst! Und unsere Kuratoren haben dazu beigetragen, dies im Tanz zu schaffen. Ich wünsche der Kreativakademie weiterhin kreatives Schaffen, kreative Menschen zusammenzubringen und ihnen bei der Umsetzung ihrer Pläne zu helfen. Russlanddeutsche können ihre ethnische Kultur durch Kunst bewahren. Und dabei hilft uns die Kreativakademie!“


Das Projekt wird durch das Unterstützungsprogramm für Russlanddeutsche in der Russischen Föderation finanziert.

Rubriken: Eliteförderung/Avantgarde