„Wir entwickeln uns immer weiter“: Interview mit Alexander Geier zum 30-jährigen Bestehen des ersten Russisch-Deutschen Hauses

Am 8. Juli 1993 ist das Russisch-Deutsche Haus Tomsk als erstes russlanddeutsches Haus in Russland und eines der wichtigsten Kulturzentren für Russlanddeutsche in Sibirien gegründet worden. Der Leiter des Hauses, Alexander Geier, spricht mit RusDeutsch darüber, wie alles begann, was in diesen 30 Jahren erreicht wurde und welche Pläne für die Zukunft bestehen.

Das Russisch-Deutsche Haus Tomsk feiert in diesem Jahr sein 30-jähriges Bestehen. Es war das erste Deutsche-Russische Haus in Russland. Können Sie uns erzählen, wie alles begann? Wie kam es zu der Idee, ein Kulturzentrum für Russlanddeutsche zu schaffen? Wer beteiligte sich an der Gründung?

Die Geschichte des Russisch-Deutschen Hauses Tomsk begann in den späten 80er- und frühen 90er-Jahren. Als Folge der Perestroika begannen sich in der UdSSR öffentliche Organisationen verschiedener Nationen, darunter auch der Russlanddeutschen, zu bilden. In Tomsk wurde die Gesellschaft „Wiedergeburt“ gegründet, an deren Spitze der stellvertretende Gouverneur des Gebiets Tomsk, Wladimir Bauer, stand, der später der erste Präsident der Föderalen National-Kulturellen Autonomie der Russlanddeutschen wurde.

Die Beziehungen zur deutschen Seite entwickelten sich aktiv: Es wurde eine deutsch-russische Regierungskommission für Russlanddeutsche gegründet und auf einer ihrer Sitzungen wurde beschlossen, Russisch-Deutsche Häuser in Russland zu schaffen. Die Gründung solcher Einrichtungen ist also eine Initiative der öffentlichen Organisationen der Russlanddeutschen, die erfolgreich umgesetzt wurde.

Das Russisch-Deutsche Haus Tomsk war das erste derartige Haus in Russland. Es standen verschiedene Standorte zur Auswahl und im Jahr 1991 erhielt die Gesellschaft „Wiedergeburt“ mit Unterstützung des Gouverneurs des Gebiets Tomsk, Viktor Kress, ein Haus in der Ul. Krasnoarmeyskaya 71, wo sich daraufhin das deutsche Kulturzentrum niedergelassen hat. Das Gebäude befand sich in einem baufälligen Zustand und aufgrund einer Vereinbarung mit der deutschen Seite und deren finanzieller Unterstützung wurde 1993 mit der Restaurierung begonnen. Im selben Jahr wurde das deutsche Kulturzentrum auf Anordnung des Gouverneurs in die Staatliche Einrichtung „Russisch-Deutsches Haus Tomsk“ umbenannt. Nach Abschluss der Restaurierungsarbeiten wurde das Gebäude im Jahr 1996 in Betrieb genommen.

Von Anfang an hat sich das Haus für die Erhaltung der Kultur, der Sprache und der Traditionen der Russlanddeutschen nicht nur in der Stadt Tomsk, sondern auch in den Stadtkreisen des Gebiets Tomsk eingesetzt. Ich kann nicht umhin, mich an die Menschen zu erinnern, die sowohl das Kulturzentrum als auch das Haus in verschiedenen Jahren geleitet haben. Es sind Lilija Korsakowa, Iwan Scheirman, Michail Roteker, Alexandr Fait und Viktor Adam. Jeder von ihnen hat zum Aufbau und zur Entwicklung des Russisch-Deutschen Hauses Tomsk beigetragen.

Können Sie uns sagen, was das Russland-Deutsche Haus Tomsk heute ausmacht? Was bedeutet es den Aktivisten und Besuchern?

Heute ist das Russisch-Deutsche Haus eine sich dynamisch entwickelnde und sich ständig verbessernde Kultureinrichtung, in der jeder in unseren Klubs und Gesellschaften etwas für sich finden kann.

Die meisten unserer Besucher und Aktivisten äußern sich zu der sehr freundlichen und kreativen Atmosphäre, die in der Einrichtung vorherrscht. Das Russisch-Deutsche Haus ist immer auf der Suche nach neuen Ideen und Möglichkeiten. Wir haben ein freundliches, kreatives und stets junges und ergebnisorientiertes Team. Zu dem Russisch-Deutschen Haus gehören eine Reihe von öffentlichen Organisationen der Russlanddeutschen und eine lutherische Kirche.

Nationale Organisationen, der Verband der Veteranen der GSSD (Gruppe der Sowjetischen Streitkräfte in Deutschland) und viele andere halten hier ihre Sitzungen ab. Wir heißen jeden willkommen, der mit uns zusammenarbeitet, der vorbeikommt, um die Traditionen, die Kultur und die Sprache unseres Volkes kennen zu lernen, unabhängig von der nationalen oder religiösen Zugehörigkeit.

Wir entwickeln uns immer weiter!

Was sind Ihrer Meinung nach die wichtigsten Errungenschaften der letzten Jahre?

Es gibt viele Errungenschaften, aber die wichtigste ist wohl, dass das Russisch-Deutsche Haus seit 30 Jahren ein Ort ist, an dem die Deutschen des Gebiets Tomsk ihre nationalen Traditionen und Bräuche bewahren, ihre Muttersprache kennen lernen und sie wieder auffrischen sowie nationale Feiertage feiern können.

Das Russisch-Deutsche Haus ist tatsächlich ein Zuhause für viele Russlanddeutsche in unserer Region.

Eines der wichtigsten Projekte, das auf Initiative des Russisch-Deutschen Hauses Tomsk ins Leben gerufen und von Organisationen in ganz Russland aufgegriffen wurde, war die gesamtrussische Aktion „Tolles Diktat“. Welche anderen Projekte des Russisch-Deutschen Hauses Tomsk würden Sie hervorheben?

Die Aktion „Tolles Diktat“ ist tatsächlich ein Projekt geworden, das nicht nur in Russland, sondern auch in anderen Ländern der Welt Anklang gefunden hat. Als wir es 2013 ins Leben riefen, haben wir natürlich nicht mit einer solchen Resonanz gerechnet. Zusätzlich zu diesem Projekt kann ich auch die Kultur- und Informationsbesuche in den Stadtkreisen des Gebiets erwähnen, die wir gemeinsam mit der regionalen National-Kulturellen Autonomie durchführen. Im Rahmen solcher Besuche wird die lokale Bevölkerung medizinisch betreut, es gibt Vorträge zu verschiedenen Themen, es wird mit Kindern und Jugendlichen gearbeitet und es finden Begegnungen mit Russlanddeutschen und Konzerte in Zusammenarbeit mit lokalen Gruppen statt. Die Teilnehmenden waren und sind die Professoren V. Beitinger, A. Adam und der leider verstorbene A. Dulson.

Nicht weniger interessante Projekte sind das regionale kulinarische Duell, das wir seit 2016 durchführen, und das regionale Festival der angewandten Kunst „Basteln“. Seit 2012 organisieren wir Seminare für Dolmetscher der deutschen Sprache und in diesem Jahr haben wir als Fortsetzung dieses Projekts ein Dolmetschturnier für Studierende der Staatlichen Universität Tomsk veranstaltet.

Besonders hervorzuheben sind die ethnokulturellen Sprachtreffen „Sommercamp“, an denen jedes Jahr zwischen 60 und 120 Kinder teilnehmen. Jetzt im Sommer haben wir sogenannte „Ethno-Samstage“, zu denen Vertreter verschiedener Nationalitäten eingeladen werden, um den Bürgern ihre Kultur vorzustellen. Und wie ich bereits sagte, sind wir immer auf der Suche nach neuen Ideen und Möglichkeiten.

Worin sehen Sie jetzt Ihre Hauptaufgabe als Leiter?

Da ich nun seit mehr als zehn Jahren als Leiter tätig bin, kann ich sagen, dass meine Hauptaufgabe darin besteht, die Arbeit der Mitarbeiter nicht zu behindern.

Aber im Ernst: Ich sehe meine Aufgabe darin, dafür zu sorgen, dass sich unsere Einrichtung weiterentwickelt und die Herausforderungen, denen wir in diesen schwierigen Zeiten gegenüberstehen, meistert.

Welche Pläne haben Sie für das Russisch-Deutsche Haus Tomsk für die nahe und ferne Zukunft?

Unsere Pläne sind groß. Der erste ist natürlich, unser Jubiläum gebührend zu feiern. Wir sind jetzt aktiv mit den Vorbereitungen für die Veranstaltungen beschäftigt und es gibt eine Menge Arbeit.

Wir möchten, dass die Feierlichkeit unvergesslich wird.

Langfristig wollen wir uns weiterentwickeln und eventuell neue Tätigkeitsfelder erschließen. Aber das Wichtigste ist, die Aufgaben zu bewältigen, die das Leben mit Sicherheit an uns stellt.


Das Redaktionsteam von RusDeutsch schließt sich den Glückwünschen an das Russisch-Deutsche Haus Tomsk zum bevorstehenden Jubiläum an und wünscht weiterhin eine aktive kreative und öffentliche Arbeit. Lesen Sie hier unseren Artikel darüber, wie die Idee der gesamtrussischen Aktion „Tolles Diktat“ entstanden ist und welche Rolle eine 13-jährige Aktivistin aus Tomsk dabei gespielt hat.

Übersetzt aus dem Russischen von Evelyn Ruge

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