„‚Der Schmelztiegel‘ hat funktioniert!“: Zusammenfassung des Kulturhistorisches Seminars 2025


Vom 1. bis 5. November fand in Wolgograd das 10. Kulturhistorische Seminar statt. Zum Leitthema des Projekts wurde die Erforschung der Geschichte und Kultur der Russlanddeutschen im Kontext der modernen Museumsräume.

Bei der Abschlussveranstaltung präsentierten die Teilnehmenden der praktischen Gruppe ihre gemeinsamen Projekte, während Expertinnen und Experten der akademischen Gruppe die vorgestellten Arbeiten bewerteten und die Ergebnisse des Seminars zusammenfassten.

Im Jahr 2025 wurde das Format des Kulturhistorischen Seminars modernisiert: Erstmals wurden die Teilnehmenden in zwei Gruppen – die akademische Gruppe und die Projektgruppe aufgeteilt. Die Projektorganisatoren wollten die traditionelle Aufteilung der Vortragenden in wissenschaftlichen Arbeitsgruppen aufheben und ein interdisziplinäres Umfeld schaffen. Wladimir Chassin, promovierter Historiker und Dozent am Lehrstuhl für russische Geschichte und Geschichtsschreibung an der Nationalen Staatlichen N.-G.-Tschernyschewski-Forschungsuniversität Saratow, kommentierte die Entscheidung des Organisationsteams in seiner Abschlussrede:

Letztes Jahr wurden die Teilnehmer am Seminar in viele verschiedene Arbeitsgruppen verteilt, und wir müssten zugeben, dass es nicht immer möglich war, einander zu sehen und zu hören. Zum Glück konnten wir uns bei diesem Seminar alle sehen. Wir sind verschieden, aber wir gehören zusammen.

„Wir müssen die horizontalen Verbindungen so weit wie möglich ausbauen“, so Andrej Lehmann, Direktor des Instituts für Ethnokulturelle Bildung – BiZ. „Das Wichtigste an diesem Projekt ist, neue Impulse für die Arbeit im nächsten Jahr zu geben. Wir müssen das ganze Jahr über mit unseren Teilnehmenden in Kontakt bleiben und ihnen gute Arbeitsbedingungen bieten, damit das Kulturhistorische Seminar nicht zu einer einmaligen Aktion wird. Und unsere Aufgabe ist es, hier solche räumliche und zeitliche Interaktion umsetzen.“

Alexej Buller, Moderator der Projektgruppe, wissenschaftlicher Mitarbeiter und Doktorand am Lehrstuhl für Theoretische und Öffentliche Rechtswissenschaften des Instituts für Staat und Recht der Staatlichen Universität Tjumen, bestätigte, dass die langfristige Analyse der Ergebnisse für die Organisatoren Priorität haben wird: „Es ist zu beachten, dass unser Projekt innerhalb der nächsten zwei bis drei Jahre Ergebnisse liefern wird: Diese kleinen Projektgruppen werden bestehen bleiben oder sich verändern.“

Die akademische Gruppe

Um den Kontakt zwischen anerkannten Experten verschiedener geisteswissenschaftlicher Disziplinen und Nachwuchswissenschaftlern am Beginn ihrer Forschungskarriere herzustellen, entwickelten die Projektorganisatoren eine spezielle Programmstruktur – eine vierteilige Matrix. Natalia Markdorf, Doktorin der Geschichtswissenschaften und Professorin am Lehrstuhl für Internationale Beziehungen und Humanitäre Zusammenarbeit des Sibirischen Instituts für Management, bemerkte:

Es kommt im Leben jedes Historikers der Zeitpunkt, an dem er bereit ist, sein Wissen und seine Erfahrung weiterzugeben.

In der akademischen Gruppe hörten Experten Präsentationen von Nachwuchsforschern an, bewerteten diese und skizzierten so Wege für die weitere Entwicklung der vorgestellten Themen.

Olga Kissner, stellvertretende Geschäftsführerin des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur, beschrieb die angespannte, aber kooperative Atmosphäre innerhalb der akademischen Gruppe genauer: „Das Vorhandensein nicht immer positiver und ermutigender Einschätzungen ist wertvoll, da es zeigt, dass der Prozess nicht dem Zufall überlassen wurde und unter Kontrolle ist. Man spürt stets, ob der Vortragende sozusagen eine unterstützende Person hat, die sein bestehendes, berechtigtes wissenschaftliches Interesse in die richtige Richtung lenken kann: ihm helfen kann, das Thema korrekt zu formulieren, das passende Material auszuwählen.“

Laut Olga Kissner wurde für die Expertinnen und Experten während des Seminars auch ein bestimmtes Aufgabenspektrum gebildet: „Sie sollen feststellen, welche Themen besonderes Interesse geweckt haben und welche Themen noch nicht behandelt wurden, aber zukünftig relevant sein werden. Dies ist wichtig für die weitere Entwicklung des Projekts.“

Eine der größten Stärken des Projekts war das Engagement für den interdisziplinären Dialog. „Als Philologin war es für mich sehr hilfreich, die Arbeitsweisen der Geschichtswissenschaft, Ethnografie, Soziologie und Politikwissenschaft kennenzulernen und die Arbeitsmethoden erfahrener Kollegen in diesen Wissenschaften zu sehen“, erklärte Ekaterina Woloschenkowa, Studentin im vierten Studienjahr an der Staatlichen Universität Sankt Petersburg.

Auch Kirill Podrjadtschikow, Mitglied des Rates des Jugendrings der Russlanddeutschen und Vorsitzender des Jugendclubs „Jugendblitz“ in Sankt Petersburg, hob die Vorteile des interdisziplinären Ansatzes hervor.

Dies ist meine dritte Teilnahme am Kulturhistorischen Seminar. In den beiden Vorjahren gab es zahlreiche Arbeitsgruppen, und die Teilnehmenden konnten selbst auswählen in welcher Gruppe sie arbeiten werden. Dieses Mal hatten Politikwissenschaftler und Historiker die Möglichkeit die Vorträge von Soziologen und Dialektforscher zuzuhören, und umgekehrt. Die von den Organisatoren entwickelte neue Plattform ermöglicht es uns, unsere gewohnten Informationsgrenzen zu erweitern und neue Wege der Interaktion mit Kolleginnen und Kollegen zu beschreiten.

Maria Borgardt, Mitglied des Jugendclubs „Jugendblitz“, gab zu, dass sich die Vorträge in Ethnographie und Philologie oft etwas praxisnäher anfühlten und ermöglichten, die Geschichte „greifbar“ zu erleben: „Es war sehr interessant, sich zum Beispiel Lieder oder Briefe der Russlanddeutschen aus verschiedenen Epochen anzuhören und anzusehen. Das ist berührender als trockene historische Fakten. Man versteht, dass diese Geschichte wirklich passiert ist.“

Der Veranstaltungsort des Seminars 2025 trug ebenfalls dazu bei, in die authentische Atmosphäre einzutauchen – das Treffen fand dieses Mal auf dem Gelände des Museums „Alt-Sarepta“ statt.

Daria Swirina, eine erfahrene Seminarteilnehmerin, Mitglied des Jugendrats der Uraldeutschen, Geschichtslehrerin am Institut für Sozialwissenschaften der Ersten Staatlichen Medizinischen I.-M.-Setschenow-Universität Moskau und wissenschaftliche Mitarbeiterin am Historischen Institut der Moskauer Institut für Technische Physik, hob das günstige Umfeld für den wissenschaftlichen Dialog hervor: „Dieses Kulturhistorisches Seminar hat eine große Stärke – den Veranstaltungsort. Es ist wunderbar, in den historischen Kontext einzutauchen, auch wenn dieser Ort uns nicht die gesamte Geschichte der Russlanddeutschen erzählt.“

Die Projektgruppe

Die Projektgruppe auf dem Kulturhistorischen Seminar 2025 wurde zu einer experimentellen Plattform. Der theoretische Teil mit Vorträgen von Experten aus den Bereichen Geschichtewissenschaften, Dialektologie, Ethnografie und Museumswissenschaften blieb fester Bestandteil des Programms, der Schwerpunkt verlagerte sich jedoch auf die Entwicklung neuer Projekte.

Wie Julia Tschernjch, Mitglied der Historischen und Genealogischen Gesellschaft in Ural, Leiterin des Genealogie-Forschungsclubs und Managerin für Jugend- und Spracharbeit am Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Jekaterinburg, anmerkte, ermöglichte dieses Format den „Praktikern“, sich im Kreis erfahrener Forscher wohler zu fühlen.

Ich bin begeistert von dem neuen Format! Als ich die Einladung zum Seminar bekam, atmete ich aus und dachte: ‚Hurra! Endlich werde ich vor diesen klugen Leuten nicht rot, obwohl ich den konzeptionellen Apparat nicht kenne‘. Ja, ich bin kein Forscher oder Wissenschaftler, aber meine Arbeit geht immer noch Hand in Hand mit der Geschichte: Ich leite einen Genealogie-Forschungsclub in Jekaterinburg und nutze ständig ethnografische und historische Daten.

Beim Abschlusstreffen präsentierten die Teilnehmer der Projektgruppe ihre entwickelten Projekte und erhielten Feedback von Kollegen aus der akademischen Gruppe.

Nach Aussage vieler Vertreter der wissenschaftlichen Gruppe möchten sie künftig im Rahmen des Seminars enger mit Kollegen aus der Projektgruppe interagieren. Das experimentelle Format vom Kulturhistorischen Seminar 2025 ermöglichte es den Teilnehmern aus verschiedenen Regionen jedoch, mehr über die Interessen und Fähigkeiten der anderen zu erfahren.

Dank dieses Seminartreffens habe ich Russland gesehen. Während unseres ständigen Aufenthaltes in Wolgograd lernten wir Omsk, Nowosibirsk, Belgorod und viele andere Teile unseres Landes kennen. Deshalb sind solche Projekte von unschätzbarem Wert,

– fasste Tatjana Ilarionowa, Doktorin der Philosophie und Professorin am Lehrstuhl für öffentliche und kommunale Verwaltung der Russischen Akademie für Volkswirtschaft und Öffentlichen Dienst beim Präsidenten der Russischen Föderation, die Ergebnisse der Verteidigung der Vorträge zusammen.

Bei der abschließenden Sitzung, auf die Frage der Moderatoren: „Haben Sie erreicht, was Sie wollten?“, hallte ein einstimmiges „Ja!“ durch den Raum. „Der ‚Schmelztiegel‘ hat funktioniert!“, resümierte Oleg Aleksandrow, Doktor der Philologie und Professor an der Staatlichen Universität Tomsk.

Wo Worte versagen

Ein unvergessliches Ereignis des Kulturhistorischen Seminars war das Kammermusikkonzert. Es fand unter den Gewölben der Lutherischen Kirche im Museum „Alt-Sarepta“ statt. Das Publikum genoss die Vokal- und Instrumentalensembles der russlanddeutschen Künstler aus Engels. Das abwechslungsreiche Repertoire bot für jeden Geschmack etwas.

Das Instrumentalensemble „Traum“ eröffnete das Konzert mit einem Höhepunkt: Zum 340. Geburtstag des deutschen Komponisten und Organisten Johann Sebastian Bach hallten die Wände der Lutherischen Kirche von den vollen Klängen des Präludiums in G-Dur wider. Anschließend wurden Werke von Wolfgang Amadeus Mozart und Alfred Schnittke am Klavier aufgeführt. Argentinische Motive, gespielt auf Akkordeon und Bassgitarre, verliehen den schlichten deutsch-österreichischen Melodien eine leidenschaftliche Note.

Das Vokalensemble „Veilchen“ präsentierte neben den bekannten Kompositionen „Wenn ich ein Glöckchen wäre“ und „Die Gedanken sind fein“ auch mehrere Lieder von Anna German. Tosender Applaus, breites Lächeln und ein Leuchten in den Augen des Publikums drückten die aufrichtige Dankbarkeit aus.

Die Museumskatze Mussja wurde zum Symbol des 10. Kulturhistorischen Seminars. Während des gesamten Projekts begleitete sie die akademische Gruppe und die Projektgruppe und unterstützte die Organisatoren.


Das Projekt wurde mit Unterstützung des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur im Rahmen des Förderprogramms der Russlanddeutschen realisiert.

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