„Tag der deutschen Sprache“: Sprachmarathon in sechs Städten


Am 15. November veranstalteten die Kultur- und Geschäftszentren der Russlanddeutschen sowie die Deutsch-Russische Häuser in den Städten Moskau, Omsk, Tomsk, Barnaul, Samara und Kaliningrad gemeinsam den Sprachmarathon „Tag der deutschen Sprache“. Die im Rahmen des Projekts angebotenen Veranstaltungen besuchten in den sechs Städten rund 600 Menschen.

Die Veranstaltung „Tag der deutschen Sprache“ wurde zum ersten Mal vom Institut für ethnokulturelle Bildung – BiZ in Begegnungszentren der Russlanddeutschen initiiert und unterstützt. Feste Bestandteile des Programms in jeder Marathonstadt waren kulinarische und kreative Workshops, theoretische und praktische Blöcke in der deutschen Sprache sowie eine Filmvorführung in der Originalsprache.

Laut Andrej Lehmann, dem Direktor des Instituts für ethnokulturelle Bildung – BiZ, basierte das Projekt auf der Förderung der deutschen Sprache, der Beteiligung junger Menschen und der Gewinnung eines breiteren Publikums. „Ich zusammen mit den Kolleginnen aus dem Internationalen Verband der deutschen Kultur und dem Jugendring der Russlanddeutschen, Elisaweta Graf und Nelly Artes, haben letztes Jahr das Konzept des ‚Tages der deutschen Sprache‘ entwickelt. Wir haben versucht, ein Veranstaltungsprogramm zusammenzustellen, das in verschiedenen Städten umgesetzt werden kann.“

Wir wollten die Gäste nicht nur mit der Kultur der Russlanddeutschen vertraut machen, sondern auch zum Teil die Kultur des modernen Deutschlands ansprechen.

„Am ‚Tag der deutschen Sprache‘ haben die Teilnehmer viel Wissen erworben: Sie haben neue Bücher und Filme kennengelernt, machten sich mit effektiven Methoden zum Erlernen der deutschen Sprache bekannt“, so Andrej Lehmann über das neue Netzwerkprojekt.

Wir erzählen mehr über die Veranstaltung „Tag der deutschen Sprache“ im Deutsch-Russischen Haus in Moskau. Das Programm umfasste einen Familientheaterworkshop, einen kulinarischen Workshop in dem die Teilnehmer einen Nudelsalat zubereiteten, einen Vortrag über die Geheimnisse der deutschen Phonetik, eine Buchbesprechung der Shortlist des Deutschen Buchpreises sowie eine Vorführung und Diskussion des deutschsprachigen Films „Grüße vom Mars“.

Improvisation auf Deutsch: Ein Familientheatertreffen

Taissia Beljakowa, führende Managerin für Koordination und methodische Unterstützung in der Abteilung der föderalen Programme des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur, leitete den Theaterworkshop. Bei der Vorbereitung griff sie auf ihre Erfahrung in der Leitung der Sonntagsschule für Kinder, auf Materialien mit ethnokultureller Komponente, die von Natalia Koslowa, einer Expertin für Arbeits- und ethnokulturelle Sprachtreffen, entwickelt wurden, sowie auf das Wissen, das sie während ihrer beruflichen Weiterqualifizierung am Institut für ethnokulturelle Bildung – BiZ erworben hatte, zurück.

Die Workshop-Leiterin versuchte, die angespannte Atmosphäre zwischen den Teilnehmern – Kindern und ihren Eltern – aufzulockern. „Die Arbeit mit einem Publikum unterschiedlichen Alters ist eine echte Herausforderung: Kinder und Jugendliche sind in Gegenwart ihrer Eltern oft noch schüchterner. Andererseits hatten die Eltern die Möglichkeit, ihre Kinder aus der Ferne zu beobachten und ihnen zuzuhören – etwas, das in einem Sprachclub nicht immer möglich ist“, sagte Taissia nach dem Workshop.

Ziel des Workshops war es, das Interesse an der Theaterkunst zu wecken und Erwachsenen wie Kindern zu zeigen, wie spannend diese Aktivität sein kann. Höhepunkt des Programms war das Improvisationstheater: Nach einer Einweisung durch Taissia führten die Teilnehmer das witzige und lehrreiche Märchen „Der goldene Apfel“ in deutscher Sprache improvisiert auf.

Laut Taissia Beljakowa bringen gemeinsame Theateraktivitäten Familien zusammen und motivieren beide Generationen zum Deutschlernen. Die Möglichkeit, eine Sprache interaktiv zu üben, stieß bei Jung und Alt der russlanddeutschen Familie Friedenberg auf großes Interesse. „Wir waren froh, im Theaterworkshop unsere Schüchternheit zu überwinden und gemeinsam mit den Kindern in die deutsche Sprache einzutauchen“, fasste Darina Friedenberg die allgemeine Stimmung zusammen. Denis Archipow besuchte die Veranstaltung mit seinem Sohn, der dieses Jahr in der Schule mit dem Deutschlernen begonnen hat: „Es hat uns sehr viel Spaß gemacht. Ich selbst konnte mich ein wenig an mein Schuldeutsch erinnern, und für meinen Sohn war es die erste – und, wie ich finde, sehr lohnende – Begegnung mit der Fremdsprache.“

Am Ende des Theatertreffens äußerte Taissia ihre Hoffnung auf ein breiteres Publikum:

Bei einer solchen Veranstaltung würde ich mich freuen, all jene zu sehen, die sich für die deutsche Kultur interessieren, auch wenn sie nicht aus einer russlanddeutschen Familie stammen.

„Ein Kochrezept ist eine wahre Fundgrube zum Erlernen von Grundvokabeln“

Die Gäste des Deutsch-Russischen Hauses bereiteten unter der Anleitung von Olga Rekke-Bellonowa, einer Deutschlehrerin und Schauspielerin der Theatergruppe „Jugendstadt“, einen köstlichen Nudelsalat zu.

Es ist nicht das erste Mal, dass Olga kulinarische Workshops leitet: Vor kurzem wirkte die Aktivistin der gesellschaftlichen Bewegung der Russlanddeutschen bei einem Dreh für das ossetische Fernsehen über die Deutsche Gesellschaft in Wladikawkas mit. Die erfahrene Deutschlehrerin bemerkte: „Das Thema Essen und die Zubereitung deutscher Gerichte gehört immer zum Lehrplan. Doch die wahre Magie beginnt erst, wenn die Theorie durch praktische Erfahrung gefestigt wird: Die Namen der Zutaten werden vertrauter und verständlicher, wenn man sie nicht nur in einer Liste im Lehrbuch sieht, sondern selbst sie schneidet, rührt, probiert und mit anderen teilt.“

In einer solchen Atmosphäre hört Sprache auf, eine Abstraktion zu sein, und wird zum Teil einer herzlichen, sehr menschlichen Kommunikation.

Olga hat das Rezept für den Koch-Workshop nicht zufällig ausgewählt. Zum einen werden hier viele einfache Zutaten gebraucht. „Das ist ideal, um Grundvokabeln zu lernen: Man kann jedes Produkt in den Händen halten, benennen, mehrmals das Wort wiederholen und mit eigenen Erfahrungen verknüpfen“, erklärte die Workshop-Leiterin. Zum anderen ist die Zubereitung eines Nudelsalats für fast jede Altersgruppe machbar. Am „Tag der deutschen Sprache“ saßen Kinder, Erwachsene und Senioren gemeinsam an einem Tisch, und jeder konnte seinen kleinen Beitrag bei der Essenvorbereitung leisten. „Ein weiterer Vorteil ist, dass wir keinen Herd oder Backofen brauchen: weniger technische Schwierigkeiten, mehr Konzentration auf die direkte Kommunikation und die Sprache“, erklärte Olga.

Inna Faller, eine der Teilnehmerinnen des Workshops, sagte: „Wir kochen zu Hause oft deutsche Gerichte. Ich habe schon oft Nudelsalat zubereitet, nach verschiedenen Rezepten.“

Ich freute mich, mein Kochbuch mit einem neuen Rezept zu erweitern. Ich glaube, es gibt so viele Rezepte wie Hausfrauen.

Das kulinarische Treffen begann mit einer Vorstellung der Teilnehmer. Die Antworten auf die einfache Frage „Warum haben Sie sich entschieden, an einem Koch-Workshop teilzunehmen?“ entwickelten sich sofort zu einem herzlichen Austausch von Erinnerungen aus der Kindheit, bekräftigt von Geschichten über Lieblingsgerichte. Wie eine Teilnehmerin bemerkte: „Die Gäste kamen ins Gespräch und so tauchten viele vergessene Wörter auf.“

Olga Rekke-Bellonowa fasste das kulinarische Treffen so zusammen:

Für mich ist das schon ein großer Erfolg: Viele Menschen haben einfach nicht die Möglichkeit, die deutsche Sprache im Alltag zu praktizieren, aber hier fügt sie sich plötzlich ganz natürlich in die Handlung ein – ins Gemüseschneiden, in Witze am Tisch, in den Austausch von Erinnerungen.

Unterhaltsame deutsche Phonetik: Ein Vortrag eines professionellen Simultandolmetschers

Roman Matwejew, Linguist und Übersetzer, Doktor der philologischen Wissenschaften und Lehrer für deutsche Vokalphonetik im Jugendopernprogramm des Bolschoi-Theaters, teilte die Geheimnisse der deutschen Phonetik mit den Gästen des Deutsch-Russisches Hauses mit.

Im Laufe von einer Stunde erörterte der Referent das phonetische System der deutschen Sprache – Vokale und Konsonanten sowie die sie bestimmenden Gesetze – und erklärte den Aufbau von Sprechrhythmus und Intonationsmustern im Deutschen. Roman betonte, wie wichtig es sei, die Phonetik einer Fremdsprache ganzheitlich zu behandeln: So stellen die unterschiedlichen Sprachkenntnisse der Studierenden kein Hindernis für den Dozenten dar.

Nachdem die Zuhörer mit dem Konzept des „Artikulationsstils“ vertraut gemacht worden waren, wurde ihnen bewusst, warum sich die Gesichtsausdrücke von englischen und deutschen Muttersprachlern unterscheiden. Der Referent würzte seine populärwissenschaftliche Erklärung der Grundlagen der Phonologie und Linguistik mit originellen Witzen und lebhaften Geschichten aus seinen beruflichen und alltäglichen Erfahrungen. Roman gestand:

Ich wollte dem Publikum zeigen, wie breit das Spektrum an Berufsfeldern ist, in denen ein Deutschspezialist seine Nische finden kann.

Roman, ein ausgebildeter Linguist und Übersetzer, unterrichtet nicht nur deutsche Sprech- und Lautphonetik und moderiert Veranstaltungen, sondern verfügt auch über langjährige Erfahrung als Sprecher bei „Stimme Russlands“.

„Die nationale Herkunft hat keinen Einfluss darauf, wie man Deutsch spricht. Der Klang hängt von der Entwicklung des individuellen Sprechapparates ab: von der Funktion von Zunge und Kiefer, den Lippen und den Resonanzräumen. Beim Erlernen der literarischen Aussprache ist es wichtig, vom Hören zur Artikulation überzugehen“, versicherte und ermutigte Roman seinen Zuhörern.

Literarischer Querschnitt: Shortlist des Deutschen Buchpreises

Die Studentinnen des Maxim-Gorki-Literaturinstituts Maria Medwedewa, Alexandra Bekkermann und Elina Hanowa sprachen über die aktuelle Buch-Neuerscheinungen in der deutschen Literatur. Unter der Führung von Swjatoslaw Gorodezki, Literaturübersetzer, Dozent und Leiter des Lehrstuhls für Literaturübersetzung am Maxim-Gorki-Literaturinstitut, verfeinern die Studentinnen ihre Fähigkeiten im Bereich der literarischen Übersetzung.

Die Präsentation umfasste Bücher, die für den Deutschen Buchpreis, eine der renommiertesten Auszeichnungen für deutschsprachige Literatur, nominiert waren. „Dies ist eine Essenz der gesamten zeitgenössischen deutschsprachigen Literaturszene“, kommentierte Maria Medwedewa. „Die ausgewählten Bücher haben ein gemeinsames, gesellschaftlich relevantes Thema. Sie repräsentieren einen Querschnitt der Fragen, die die Menschen heute beschäftigen.“

„Die besprochenen Werke thematisierten Migration und Identität, den Versuch, sich selbst und seinen Weg in einer Welt zu finden, die dem Einzelnen feindlich gesinnt sein kann“, erklärte Alexandra Bekkermann. „Man kann auch von einer Fortsetzung der Traditionen der Nachkriegsliteratur sprechen – die Überwindung der historischen Vergangenheit spielte damals eine zentrale Rolle“, fügte Maria hinzu.

Während des Treffens führten die Frauen das Publikum in den Kontext der vorgestellten Bücher ein, indem sie übersetzte Auszüge vorlasen.

Wir wollten unserem Publikum zeigen, worüber die Menschen heute nachdenken, wie sie schreiben und wofür sie bekannt sind. Es wäre wunderbar, das Interesse unseres Publikums an der deutschsprachigen Literatur zu wecken.

Eine der Gäste teilte ihre positiven Eindrücke von dem Literaturtreffen mit: „Ich habe mich sehr gefreut, etwas über die neuesten Entwicklungen auf dem deutschen Buchmarkt zu erfahren. Das waren wertvolle Informationen für mich. Ich war auch beeindruckt von der literarischen Übersetzungsarbeit der Mädchen.“

Filmvorführung: Die Tür zur Realität öffnen

Eine Filmvorführung mit anschließender Diskussion vertiefte das Eintauchen in den zeitgenössischen deutschen Kulturkontext. Die Gäste des Deutsch-Russischen Hauses schauten sich den Kinderspielfilm „Grüße vom Mars“ von der Regisseurin Sarah Winkenstette an.

In ihrer Einleitung gab Jekaterina Beloglasowa, Journalistin, Filmkritikerin und Kuratorin von Film- und Bildungsprogrammen, zu, dass sie schon immer gerne Familienfilme gesehen habe:

Sarah Winkenstettes Werk sticht in der Reihe der Familienfilme hervor, weil es, obwohl es einen fiktionalen Anstrich beibehält, die Tür zu einer oft harten Realität öffnet.

Während der Diskussion tauschten die Zuschauer nicht nur ihre Eindrücke aus, sondern übten auch ihr Deutsch.

Wie der Sprachmarathon „Tag der deutschen Sprache“ in anderen Städten durchgeführt wurde, erfahren Sie in den offiziellen Gruppen im Sozialnetzwerk „VKontakte“ und in den Telegram-Kanälen: das Kultur- und Geschäftszentrum „Deutsch-Russisches Haus in Omsk“, das Deutsch-Russische Haus in Tomsk, das Zentrum für kulturelle und geschäftliche Zusammenarbeit „Deutsche des Altai“ in Barnaul, das Regionale Zentrum der deutschen Kultur „Nadeschda“ in Samara und das Kultur- und Geschäftszentrum der Russlanddeutschen in Kaliningrad.

An Ende des Sprachmarathons wünschte Andrej Lehmann allen Teilnehmern, „diesen Weg wiederzufinden, ihn nicht zu vergessen und zu neuen Treffen zu kommen.“

Der Direktor des Instituts für ethnokulturelle Bildung – BiZ äußerte sich ebenfalls hoffnungsvoll über die weitere Entwicklung des neuen Projekts: „Heute haben meine Kollegen und ich ‚Neuland betreten‘ und eine angenehme emotionale Aufbruchstimmung erlebt. Ich empfehle ihnen, sich einen Moment Zeit zu nehmen, um diese positive Emotion zu genießen und zu überlegen, wie wir diese Initiative verbessern können. Wir hoffen, dass der ‚Tag der deutschen Sprache‘ zu einem weiteren Netzwerkprojekt in den Aktivitäten unserer Organisationen wird: den Kultur- und Geschäftszentren und den Deutsch-Russischen Häusern.“

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