Krass, krasser, KrasDeutsch: Ein deutscher Fußballklub sorgt in Sibirien für Furore

Im kommenden Jahr wollen die Russlanddeutschen bei der Europeada eine gute Rolle spielen. 2012 und 2016 waren sie bei der alle vier Jahre stattfindenden Fußball-Europameisterschaft für nationale Minderheiten jeweils im Viertelfinale ausgeschieden. Doch nun gibt es in Krasnojarsk einen deutschen Fußballklub, der Hoffnung auf mehr macht.

Übersicht beweisen, Laufwege lesen – im Fußball zählt so etwas viel. Wladimir Simon fängt damit schon abseits des Platzes an. Er ist der Chef des FC KrasDeutsch, eines Amateurklubs für Russlanddeutsche im sibirischen Krasnojarsk. Das Interview soll in der Totem-Halle stattfinden, die maßgeblich auf Veranlassung von Wladimir Putin errichtet und 2017 eröffnet wurde. Hier trainiert und spielt der Krasnojarsker FCK die kalte Jahreszeit über, auf Mietbasis. Die Zufahrt zur Halle ist nicht ganz leicht zu finden, weshalb der Fahrer des Yandex-Taxis etwas unentschlossen in einem Wohngebiet anhält. Simon meldet sich per Telefon: „Bleiben Sie, wo Sie sind, ich bin gleich bei Ihnen.“ Aber woher will er denn wissen, wo wir stehen? „Das verfolge ich im Internet.“

Merke: Auch technisch sind sie beim FC KrasDeutsch nicht von gestern, da sollte man die Russen generell nicht unterschätzen. Oder in diesem Fall die Deutschen in Russland. Simons Vorfahren sind 1762 aus Hessen ins russische Reich eingewandert. Es hat mit den Verwerfungen des 20. Jahrhunderts zu tun, dass es die Familie von der Wolga schließlich nach Krasnojarsk verschlug, um die sechseinhalbtausend Kilometer von Hessen entfernt.

Simon hatte vor weniger als zwei Jahren die Idee für den FC Kras-Deutsch. Heute ist der Unternehmer mit den Pokalen gekommen, die seitdem gewonnen wurden. Er brauchte eine große Tasche dafür.

Denn in der kurzen Zeit ist viel passiert. KrasDeutsch hat Fördermittel in Höhe von 1,5 Millionen Rubel (ca. 20 000 Euro) aus dem Präsidenten-Topf bekommen, ist letztes Jahr Stadtmeister geworden und hat in der Region Krasnojarsk, die fast sieben Mal so groß ist wie Deutschland, Platz zwei belegt, wenn auch einstweilen nur in einer Art zweiter Liga.

Die Spieler haben Familiennamen wie Reich, Klauser, Buller, Wiegul. Das heißt der FC KrasDeutsch gibt sich nicht nur deutsch, er ist es auch. Die einheimischen Deutschen finden hier eine sportliche Heimat. Das hat sich längst herumgesprochen: Auch vom FC Jenissej, dem Profi-Fußballklub von Krasnojarsk, der in Russlands höchster Liga kickt, klopfen immer wieder Nachwuchsspieler an, die den Sprung nach ganz oben nicht geschafft haben, aber fußballerisch bestens ausgebildet sind. Diese Talente sind mit ihrer Übersicht und Technik eine tolle Bereicherung für die KrasDeutschen.

Der neue Klub war aber auch für Andrej Rotermehl eine gute Nachricht. Er ist der Männer-Cheftrainer der russlanddeutschen „Nationalmannschaft“ RusDeutsch und kann nun geradezu aus dem Vollen schöpfen. Als RusDeutsch an der Europeada 2016 in Südtirol teilnahm, der Fußball-EM für nationale Minderheiten, da fuhren die Krasnojarsker Auswahlspieler anschließend nach Hause und verloren sich aus den Augen. Heute spielen sie zusammen im Klub und in der Auswahl, verstehen sich deshalb so gut wie blind. Das soll sich bei der nächsten Europeada, die 2020 bei den Kärntner Slowenen ausgetragen wird, auszahlen. Darauf bereitet sich RusDeutsch schon jetzt mit Trainingslagern vor.

Von den Bedingungen ist Torhüter Sergej Michal von KrasDeutsch schwer beeindruckt. „So ein Niveau kannte ich vorher gar nicht. Wir trainieren auf den besten Plätzen, Hotels und Verpflegung sind vom Feinsten. Sogar einen Arzt gibt es. Und einen Torwarttrainer.“ Nebenbei werde auch noch Deutsch unterrichtet. Für Michal mit seinen 37 Jahren soll die Europeada der Höhe- und Schlusspunkt seiner aktiven Laufbahn werden.

Derweil denkt man bei seinem Klub schon weiter und träumt von einer eigenen Klubanlage, wo man nicht mehr zu Gast, sondern zu Hause wäre. Das Projekt zeigt ein langgestrecktes zweistöckiges Gebäude, in dem sogar Beschäftigungsmöglichkeiten für Eltern angedacht sind, die ihre Kinder zum Training gebracht haben. Die Gespräche mit der Stadt laufen.

Aber um Fußball dreht sich bei KrasDeutsch längst nicht alles. „Wir wollen mit anderen Minderheiten zusammenkommen“, sagt Simon. „In unserer heutigen Zeit ist Diplomatie von unten wichtig wie nie.“

* Dieser Artikel erschien zuerst in der „Moskauer Deutschen Zeitung“

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