Vom 7. bis 27. November finden Filmvorführungen und Online-Gespräche mit Regisseuren in Moskau, Omsk, Tomsk, Barnaul, Jekaterinburg und Kaliningrader Oblast statt. Das Programm für das Jahr 2022 umfasst acht Kurzfilme. Sie dauern jeweils nicht länger als 40 Minuten, befassen sich mit der Kultur und dem Erbe der Deutschen Russlands, ihrer Geschichte und ihrem Glauben.
Die „Filmwoche der Russlanddeutschen 2022“ ist ein föderales Projekt des Internationalen Verbandes der Deutschen Kultur mit dem Ziel, das historische und kulturelle Erbe der Russlanddeutschen zu präsentieren und zu fördern sowie die Filmkunst dieser Volksgruppe zu entwickeln.
In diesem Jahr werden dem Publikum folgende Filme präsentiert:
„Katharina II. Sonnenuntergang der Großen“ von Andrej Artschakow, 2022
Ein Spielfilm über die letzten Monate der Regentschaft von Zarin Katharina der Großen, als sie versucht, eine schwierige Entscheidung über die Thronfolge zwischen ihrem ihr gegenüber feindselig eingestellten Sohn Paul und ihrem geliebten Enkel Alexander zu treffen. Das Persönliche und das Staatliche sind bei dieser Wahl auf höchst bizarre Weise miteinander verwoben.
Der Film ist das Regiedebüt von Andrej Artschakow, der zum Zeitpunkt der Dreharbeiten 13 Jahre alt war. Als 11-jähriger Schüler ließ sich der Junge 2017 von der türkischen Serie „Das prächtige Jahrhundert“ inspirieren und war von der Idee beseelt, einen ähnlichen Film über die russische Geschichte zu drehen. Mit dieser Idee kam Andrej zu den Dreharbeiten einer Fernsehshow, bei der man Künstlern Million Rubel für Verwirklichung ihrer Projekte versprach, wenn sie diese gut präsentieren könnten. Andrej Trubnikow, der Gründer von einem großen russischen Kosmetikhersteller „Natura Siberica“, war eines der Jurymitglieder in dieser Show. Andrejs Geschichte beeindruckte ihn so sehr, dass der Unternehmer beschloss, die Idee seines jungen und inspirierten Namensvetters zu finanzieren, noch bevor die Sendung ausgestrahlt wurde.
„Sarepta. Perle der Wolga“ von Irina Grischina, 2018
Die Handlung spielt in einer deutschen Siedlung in der Nähe von Zarizyn, das im 18. und 19. Jahrhundert ein wirtschaftliches, geistiges und wissenschaftliches Zentrum des südlichen Russlands war. An den Dreharbeiten nahmen sowohl professionelle Schauspieler als auch Studenten des Wolgograder Staatlichen Instituts für Kunst und Kultur und berühmte Wolgograder Bürger teil.
„Nimm Sarepta von der Wolga weg, die Pugatschow und die große Wolga-Verwirrung gesehen hat, und schon wird die Wolga nicht mehr dieselbe sein, es wird irgendeinen Makel in ihrem wirklich altmodischen Gesicht geben, irgendetwas wird im Alltag gebrochen sein, inhärent, einheimisch. All das ist bereits mit ihm verwachsen, wurzelt in seinem Boden, ist sein organisches Merkmal geworden“, schrieb der russische Schriftsteller Wladimir Korolenko.
Irina Grischina, die Regisseurin und Drehbuchautorin des Films, schloss ihr Regiestudium am Staatlichen Institut für Kino und Fernsehen in St. Petersburg 2015 mit Auszeichnung ab. Im selben Jahr erhielt sie den Preis der Stadtverwaltung von St. Petersburg für ihre Diplomarbeit.
„Das Geheimnis von Dr. Poehls Apotheke“ von Jewgeni Tatarow, 2016
Ein Dokumentarfilm über einen der mystischsten Orte in St. Petersburg, an dem sich Legenden mit Geschichte verflechten - die Apotheke von Dr. Poehl. Mitte des 19. Jahrhunderts kaufte der Deutsche Wilhelm Poehl, der in Russland Wassili Pehl genannt wurde, ein Haus auf der Wassiljewski-Insel und eröffnete ein eigenes Apothekengeschäft. Er brachte Tabletten und Granulatoren mit und organisierte eines der ersten chemischen Laboratorien in St. Petersburg. Er kämpfte gegen Arzneimittelfälscher. Die eigene pharmazeutische Produktion und die gleichnamige Apotheke wurden bald zu Hoflieferanten Seiner Kaiserlichen Majestät.
Wassili Pehls Sohn Alexander führte als erster in Russland die Dosierung von Substanzen ein, erfand die Ampulle und die Methode des industriellen Stempelns steriler Injektionslösungen, erweiterte das chemische Laboratorium seines Vaters und erlangte Weltruhm als Erforscher der nützlichen Eigenschaften tierischer Organe bei der Behandlung von Menschen.
Regisseur und Drehbuchautor Jewgeni Tatarow ist ein Anhänger des totalen Realismus, der seine Filme wahrhaftig und lebendig macht. Der Regisseur hat zwölf Filme in seiner Filmografie. Sieben von ihnen gewannen Preise und Diplome bei verschiedenen Filmfestivals.
„Majakowski und die beiden Ellies“ von Elvira Schreiner, 2022
Im Leben des Dichters Wladimir Majakowski gab es zwei Ellies. Die erste wurde 1904 in dem Dorf Dawlekanowo (heute eine Stadt in der Republik Baschkortostan) geboren. Sie wurde in den Dokumenten als Jelisaweta Zibert geführt. Im Jahr 1923 heiratete sie einen Engländer, George Jones, und wurde Ellie Jones. Die Familie zog nach New York und half den Sieberts, die in Dawlekanowo geblieben waren, Russland zu verlassen. Im Jahr 1925 lernte Ellie Jones in New York Majakowski kennen, und ein Jahr später wurde ihre Tochter, die zweite Ellie, nach Dokumenten Helen Jones, geboren.
Der Film von Elvira Schreiner erzählt diese wenig bekannte Liebesgeschichte. In einem Interview erklärt die Regisseurin, warum sie sich dazu hingezogen fühlte: „Die Geschichte ist erstaunlich, weil sie mit Baschkortostan verbunden ist. Das war für mich sehr angenehm. Ich habe den Namen Majakowski nie mit unserer Republik in Verbindung gebracht. Vorher erschien er mir wie ein Held von Plakaten. Und diese Geschichte offenbarte so viele Facetten seiner Persönlichkeit, so viel Aufrichtigkeit und Wärme eines proletarischen Dichters.“
Elvira Schreiner schloss ihr Studium an der Kunsthochschule Ufa (1995) und an der Kunstakademie Ufa (1999) ab. Seit 2018 dreht sie Kurz-Autorenfilme.
Die Filme des Regisseurs haben an russischen und internationalen Filmfestivals teilgenommen und wurden mit Preisen ausgezeichnet. Im Jahr 2020 rief sie das internationale Filmfestival Life Style Cinema ins Leben.
„Eigengrau“ von Nikita Saraschewski, 2022
Eigengrau ist eine illusorische dunkelgraue Farbe, die Menschen in Abwesenheit von Licht sehen. „Eigengrau“ des jungen Regisseurs Nikita Saraschewski ist ein Interviewfilm, ein Gespräch, „das wir schon so lange brauchen“. Es handelt sich um ein Filmexperiment: der Bildschirm ist in zwei Teile geteilt, und der Zuschauer sieht fast die ganze Zeit zwei Pläne. Erst am Ende verschmelzen die beiden Teile des Bildschirms zu einem. Der Film ist ein Anlass, darüber nachzudenken, warum die Arbeit, die heute für den Erhalt der deutschen Kultur geleistet wird, nur „eigengrau“ ist. Was fehlt noch? Der Film gibt die Antwort. Der Film wurde im Tempel von Jesus Christus in Sorkino, einem Dorf an der Wolga, gedreht. Dieser Tempel erst kürzlich von dem Mäzen Carl Loor wieder aufgebaut wurde.
In einem Interview mit RusDeutsch sprach der Regisseur über seine Arbeit so: „Ich habe von dem Film geträumt. Ich wollte einen reflexiven Film machen. Und ich habe versucht, einen Film zu machen, der dem Konzept, das mir vorschwebte, so nahe wie möglich kam. Man muss verstehen, dass ein Studentenfilm ein Film ohne Budget und ohne große Möglichkeiten ist. Man muss ein Gleichgewicht finden zwischen dem, was man will, und dem, was man kann. Das religiöse Element ist nicht aus dem Wunsch herausentstanden, einen Science-Fiction-Film oder einen anderen typisch deutschen Film zu machen. Ich wollte etwas Neues machen.“
„Mein Name ist Iwan“ von Jelena Oktjabrskaja, 2021
Mit dem Satz „Hallo, ich heiße Iwan Pankratz...“, gesprochen in einem plattdeutschen Dialekt, beginnt ein Film, der in dem Dorf Neudatschino in der Region Nowosibirsk spielt. Das Dorf wurde zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von deutschen Mennoniten gegründet. Zu den ersten Siedlern gehörten die Vorfahren von Iwan Pankratz, dem Helden des Films. Iwan ist ausgebildeter Melker. Heute ist er aber Direktor des Museums, der Bewahrer des Gedächtnisses des Dorfes. An den ersten Weihnachtstagen spricht er über die für ihn wichtigen Dinge - die Zeit, die Traditionen, den Glauben und alte Fotos. Im Museum der deutschen Kultur, dem Haus des alten Handwerkers, entstehen zum Klang seiner lebendigen Uhr Bilder von Verwandten und die Atmosphäre eines Ortes, den man nicht vergessen oder zurücklassen kann.
Jelena Oktjabrskaja, die Regisseurin des Films, betonte, dass die Idee, einen Film über Iwan Pankratz aus Neudatschino zu drehen, aus der Aufgabe des Kursleiters entstand, ein Porträt seines Zeitgenossen zu erstellen. Jelena schloss 2022 die VGIK-Hochschulkurse für Film und Fernsehen ab. Die Direktorin beriet sich mit ihrer Tante Irina Oktjabrskaja, einer renommierten Ethnografin, der führenden Forscherin am Institut für Archäologie und Ethnographie der Sibirischen Abteilung der Russischen Akademie der Wissenschaften und Doktorin der Geschichtswissenschaften. Irina Wjatscheslawowna schlug vor, von Iwan zu erzählen, den sie während ihrer ethnografischen Expeditionen in der Region Nowosibirsk kennengelernt hatte. „Ich war von Neudatschino fasziniert. Und obwohl nicht alle Dorfbewohner, vor allem die ältere Generation, bereit sind, mit uns in Kontakt zu treten, ist es ein sehr herzerwärmender Film geworden“, sagt Jelena.
„Ich habe zu sehr gelitten, um den Menschen Böses zu tun“ von Olga Ossetrowa, 2019
Im Dokumentarfilm „Ich habe zu sehr gelitten, um den Menschen Böses zu tun“ handelt es ums Leben und Werk des herausragenden russischen Wissenschaftlers, Doktors der Kunstgeschichte und Trägers des Staatspreises der UdSSR Georgi Wagner (1908-1995).
Das von Olga Ossetrowa geschriebene Drehbuch wurde beim V. Internationalen Filmfestival „Väter und Söhne“ in der Kategorie „Dokumentarfilme zu historischen Themen" ausgezeichnet.
Olga Ossetrowa schloss ihr Studium der Journalistik an der Staatlichen Universität Woronesch ab. 2005 promovierte sie in Philologie und arbeitete in den regionalen Medien. Seit Februar 2019 ist sie Vorsitzende des Interregionalen Koordinierungsrates der Begegnungszentren der Russlanddeutschen der Zentralregion und Nordwest. Sie lebt und arbeitet in Stary Oskol in der Region Belgorod.
In den letzten Jahren dreht Olga Ossetrowa aktiv Dokumentarfilme über das Schicksal der Russlanddeutschen: „Die Unbeugsamen“ (2018), „Ich habe zu sehr gelitten, um den Menschen Böses zu tun“ (2019), „Der Mann mit dem reinen Herzen“ (2020), „Streitwagen des Fortschritts“ (2020), „Unerwünschte Zeit, unvorhergesehenes Schicksal... “ (2021). Der Film „Die Unbeugsamen“ (2018), veröffentlicht auf dem Portal RusDeutsch, wurde mit dem gesamtrussischen Wettbewerb „SMIrotworez-2020“ ausgezeichnet.
„Und das ganze Leben lag vor uns“ von Swetlana Bajandina, 2021
Im Jahr 2021 begann die Permer Regionalorganisation „Wiedergeburt“ mit den Dreharbeiten für einen Dokumentarfilm zum 80. Jahrestag der Deportation der deutschen Bevölkerung der UdSSR. Dabei stellte sich heraus, dass die meisten Erinnerungen der Filmfiguren mit den schwierigen Jahren in der Arbeitsarmee verbunden waren. So wurde beschlossen, die Premiere zu verschieben und den Film im Jahr 2022 anlässlich des 80. Jahrestages des Beginns der Massenmobilisierung der Deutschen für die Arbeitsarmee zu zeigen.
Perm war der Ort, an dem während des Krieges Zehntausende von Sowjetdeutschen unter Lagerbedingungen arbeiten mussten.
Es handelt sich um drei Personen. Ihre so unterschiedlichen Schicksale sind mit der Kama-Region, der gemeinsamen Geschichte der Deutschen der UdSSR, aber auch mit ihrer Kreativität verbunden: Die Helden des Films schreiben Bücher, dichten, singen und tanzen. Man kann in diesem Film ihre Kinder und Enkelkinder sehen (und sogar hören). Der Film handelt von der Tatsache, dass das Leben nicht nur gewesen ist, sondern dass es noch vor uns liegt.
Swetlana Bajandina, die Autorin der Idee und des Drehbuchs des Films, ist seit 2011 in der deutschen Sozialbewegung aktiv und seit 2021 Präsidentin der regionalen öffentlichen Organisation „Wiedergeburt“ in Perm. Als sie erfuhr, dass in Engels im Rahmen der Gedenkveranstaltungen zum 70. Jahrestag der Deportation ein Denkmal für die deutschen Opfer der Repressionen in der UdSSR errichtet werden sollte, spendete die Familie von Swetlana Bajandina (Trott) für die Errichtung des Denkmals, erhielt ein Dankesschreiben und nahm aus eigener Initiative an der Eröffnung teil, indem sie nach Engels fuhr. Zurück in Perm schloss sich Swetlana der örtlichen deutschen Gemeinde an und wurde zur Aktivistin.
Im Rahmen des Projekts „Filmwoche der Russlanddeutschen“ wird es auch Online-Treffen mit Filmemachern geben. Informationen zu den Vorführzeiten und Adressen der Veranstaltungsorte finden Sie hier.
Übersetzt aus dem russischen von Warwara Arjajewa