Am 10. Oktober lädt das Deutsch-Russische Haus in Moskau zu einem Abend voller reiner, aufrichtiger Musik ein. Auf der Bühne wird Alexander Wecker, Theater- und Filmschauspieler, Gitarrist, Sportler und Leiter der Taekwondo-Schule, auftreten. Die Gäste erwarten Solokompositionen sowie Duette mit seiner Tochter, der Geigerin und Regisseurin Kristina Wecker.
Im Vorfeld des Konzerts sprach Alexander mit uns über seinen Weg, Inspiration und die innere Kraft, die Sport, Kunst und Leben verbindet.
Alexander, Sie sind in mehreren Tätigkeitsbereichen aktiv: Theater, Musik und Sport. Was verbindet all diese Bereiche?
Es geht bei allen diesen Tätigkeiten um Selbstausdruck. In jedem dieser Bereiche sehe ich denselben Prozess: Ein Mensch teilt der Welt mit, wer er ist.
Sport ist Disziplin, stärkt Willen und Geist. Er hilft durchzuhalten, aber Musik ist etwas ganz anderes. In ihr drücke ich aus, was Worte nicht ausdrücken können: die innere Struktur, den Geisteszustand.
Durch Musik vermittle ich, was sich nicht in Worte fassen lässt. Nicht umsonst sagt man: Musik ist ein Gespräch mit Gott. Und das ist nicht nur eine schöne Aussage. Wenn man spielt, ist es, als würde man einen Kanal öffnen, durch den etwas Größeres als man selbst gehört werden kann.
Wie entstand Ihre Liebe zur Gitarre?
Alles begann in der Kindheit. Damals, in den 1980ern, hatte jeder zu Hause eine Gitarre – mein Bruder spielte, meine Freunde spielten. Aber ich habe mich wirklich in dieses Instrument verliebt, als ich zum ersten Mal Wladimir Kusmin (ein sowjetischer und russischer Rockmusiker und Komponist – Anm. d. Üb.) und die Band „Dinamik“ hörte. Es war eine Revolution. Kusmin, Komponist, Sänger und Multiinstrumentalist, inspirierte mich so sehr, dass ich von der Gitarre besessen wurde. Später kamen ausländische Idole hinzu – Ritchie Blackmore, Deep Purple … Aber der erste Funke, die wahre Liebe, war natürlich Kusmin. Er zeigte, dass die Gitarre leben, atmen und singen kann.
Wie komponieren Sie Ihre Melodien?
Das ist unterschiedlich. Manchmal ist es fast mystisch. Ich erinnere mich, wie ich an einem ganz normalen Tag im Gespräch mit meiner Mutter einen Walzer komponierte. Plötzlich erklang eine Melodie in meinem Kopf, als würde sie mir jemand von oben einhämmern. Ich versuchte, sie zu verdrängen, aber sie wurde immer stärker.
Ich sagte zu meiner Mutter: „Warte“, rannte zur Gitarre, und meine Finger begannen von selbst zu spielen. Es fühlte sich an, als würde sie jemand führen. Zwei Wochen später schuf ich das Ende und erkannte, dass es nicht nur ein Lied war, sondern eine Art Offenbarung.
Manchmal inspirieren mich die Großen – Dante, Goethe, Paganini. Wenn man sie liest, spürt man die Tonleiter, die ewige Konfrontation zwischen Licht und Dunkelheit, Himmel und Hölle. Das zwingt einen, nach Musik zu suchen, die Raum für alles Menschliche lässt.
Generell kommt Inspiration aus vielen Quellen – Langeweile, Traurigkeit, Einsamkeit. Freude bringt selten Musik hervor. Fast alle großen Werke entstehen aus Leid. Ich habe sogar eine Komposition mit dem Titel „Schöne Traurigkeit“.
Meine Mutter zitierte einmal Paganini: „Um andere fühlen zu lassen, muss man mehr fühlen als alle anderen.“ Das ist für mich zu einer Regel geworden. Musik entsteht, wenn die Seele schmerzt – aber auf wunderschöne Weise.
Ihre Tochter Kristina wird mit Ihnen zusammen beim Konzert auftreten. Wie ist es, die Bühne mit Ihrem engsten Menschen zu teilen?
Es ist eine große Freude. Kristina wird in zwei Stücken zu hören sein: „Meine Seele“ und „Diese meine Tochter“.
Wenn man sie auftreten sieht, merkt man, dass sich alles gelohnt hat. Ihre Schönheit, Anmut und Energie sind wie ein Spiegelbild meiner selbst. Und trotzdem leben wir jetzt in verschiedenen Städten: sie in Krasnodar und ich in Kopeisk.
Aus irgendeinem Grund treffen wir uns am häufigsten in Moskau. Es ist zur Tradition geworden. Und ich bin dem Deutsch-Russischen Haus sehr dankbar für die Möglichkeit, wieder gemeinsam aufzutreten. Das ist mir nicht nur als Musiker, sondern auch als Vater eine Freude.
Sie treiben seit vielen Jahren Sport. Hilft Ihnen Taekwondo bei der Musik?
Es hilft – und behindert zugleich. Sport stärkt den Charakter und die Ausdauer. Aber körperlich ist es nicht einfach. Ich zerschlage immer noch Bretter und trainiere mit Hanteln – und für einen Gitarristen ist das, gelinde gesagt, riskant.
Die Finger müssen flexibel und elastisch sein. Ich erinnere mich an Viktor Sintschuk, einen berühmten Gitarristen, der einmal sagte: „Wie kann man überhaupt spielen, wenn man herumspringt und Dinge zertrümmert?“ Und er hatte Recht. Verletzungen passieren, und sie behindern das Spiel wirklich.
Aber ohne Technik geht das nicht. Es ist unmöglich, Emotionen zu vermitteln, wenn die Hand nicht gehorcht. Emotion und Technik sind wie Atmung und Körper; sie sind untrennbar. Jede meiner Kompositionen hat Bewegung, Übergänge und Modulationen. Ohne sie ist Musik langweilig. Ich erzähle Geschichten – meine eigenen, die anderer und manchmal die der Zukunft. Und jede Geschichte muss Entwicklung, Dynamik und Leben haben.
Hatten Sie auch schon Phasen, in denen Sie überhaupt keine Lust hatten Musik zu spielen?
Ja, natürlich. 2021 habe ich meine Mutter verloren. Wir standen uns unglaublich nahe. Nach ihrem Tod konnte ich weder spielen noch Musik hören. Zehn Monate vergingen, bis ich wieder zur Gitarre griff.
Ein Freund holte mich zurück. Er zwang mich buchstäblich, auf die Bühne zu gehen – für ein kleines Konzert in Tscheljabinsk. Ich bereitete mich zwei Wochen lang vor, fast mit Gewalt. Aber dieses Konzert war meine Rückkehr. Dann war da der Abend im Deutschen Haus – ein sehr warmer, gefühlvoller Abend voller Lachen und Witze. Und mir wurde klar, dass es sich gelohnt hatte, wieder zum Instrument zu greifen.
Die Musik hat mich wieder zum Leben erweckt. Obwohl ich jetzt, das gebe ich zu, kaum noch Zeit für Kreativität habe. Sport – Trainingslager, Wettbewerbe, Üben bis spät in die Nacht. Und es ist beängstigend zu erkennen, dass die Kreativität in den Hintergrund gerät.
Ich denke zunehmend, es ist Zeit, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Schließlich kann man nicht zwei Wege gleichzeitig gehen. In China sagt man: „Man kann nicht zwei breite Wege gleichzeitig gehen.“ Früher habe ich gelacht: Ich bin so beweglich, ich kann auf zwei Beinen stehen. Jetzt verstehe ich – es ist Zeit, sich für einen zu entscheiden. Und Musik sollte wahrscheinlich dieser Weg sein.
Wie definieren Sie einen aufmerksamen Zuhörer?
Instrumentalmusik ist kein Format für Massen. Aber ich trete seit vielen Jahren in Clubs und auf Bühnen auf und mir ist aufgefallen: Überall hören die Leute zu.
Manchmal gibt es Hooligans im Publikum, Lärm, und dann ist plötzlich Stille. Denn Musik, wenn sie aufrichtig ist, berührt jeden.
Es ist nicht so, dass nur „wohlerzogene“ oder „kultivierte“ Menschen sie verstehen. Nein. Es ist einfach so, dass jeder seine eigene Art zu hören hat. Manche hören Traurigkeit, manche Hoffnung, manche Stille. Und das ist okay. Musik ist eine universelle Sprache. Sie ist für jeden verständlich, der bereit ist, sein Herz zu öffnen.
Wenn Sie ein Stück für die ganze Welt spielen könnten, welches wäre das?
Ich habe es wahrscheinlich noch nicht komponiert. Manchmal sage ich meinen Schülern: Das Wichtigste ist, sich in dieser Welt zu verwirklichen, Potenzial voll auszuschöpfen. Und ich habe das Gefühl, dass das noch vor mir liegt.
Ja, ich habe viel durchgemacht: Sport, Unterrichten, Film, die Bühne. Aber ich bin immer noch auf der Suche nach mir selbst. Vielleicht ist das Stück, das ich für die ganze Welt spielen soll, noch nicht gekommen. Und ich warte darauf.
Vielen Dank für das Gespräch, Alexander.
Danke auch. Wir sehen uns beim Konzert.