Bérengère Francis Vogel: „Wir müssen Problemfelder in der Minderheitenbildung aufdecken und damit gegen schlechten Praktiken und Verstöße unsere Stimme erheben“

Bei der offiziellen Eröffnung der 6. Internationalen wissenschaftlich-praktischen Sprachkonferenz „Deutsche in Russland: Sprache bewahren – Minderheiten entwickeln“ hielten die Grußreden Vertreter staatlicher Behörden und öffentlicher Organisationen Russlands und Deutschlands.

Im Namen des Internationalen Verbandes der deutschen Kultur (IVDK) wurden die Konferenzteilnehmer von Olga Martens, der ersten stellvertretenden Vorsitzenden des IVDK, begrüßt. Sie betonte, dass die Tagesordnung dieser Konferenz eine Diskussion über Deutsch nicht nur als Fremdsprache, sondern auch als Muttersprache der Russlanddeutschen sei. Olga Martens erzählte, dass nach 10 Jahren intensiver Spracharbeit die Fachkräfte der Selbstorganisation sich entschlossen haben, das Konzept der „Muttersprache“ dank der Einführung eines Frühlernsystems für die deutsche Sprache aktiv zu nutzen.

Von der Bedeutung der deutschen Sprache für die Entwicklung der zwischenstaatlichen Beziehungen sprach Jan Kantorczyk, der Leiter des Kulturreferats der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Russland: „Die deutsche Sprache hat immer eine große Rolle in Russland gespielt. Heutzutage ist Deutsch die am zweihäufigsten gelernten Fremdsprache in Russland... Ich bin schon zum zweiten Mal bei der Sprachkonferenz dabei und ich bin beeindruckt, dass sie so viele verschiedene Persönlichkeiten zusammenführt: Deutschlehrerinnen, Vertreter der Russlanddeutschen nicht nur aus Russland, sondern aus anderen Ländern. Und ich habe gesehen wie wichtig die Sprache ist für alle diesen Menschen: Die Sprache ist für sie ein Ausdruck der Kultur, der eigenen Identität, der Lebensweise und deshalb ist es so wichtig, dass die Konferenzen, wie diese, die Rolle der Sprache betonen“.

Er sagte auch, dass die Internationale Sprachenkonferenz die Beziehungen zwischen Russland und Deutschland aufbaut. Laut Kantorczyk, ist die deutsche Sprache für die Russlanddeutschen nicht nur eine Sprache, sondern ein Verbindungselement der Menschen mit der Geschichte. Er bemerkte auch, dass Deutschkenntnisse eine Schlüsselkompetenz und eine Investition in die Zukunft sind.

Leiterin der Spracharbeit, Stellvertretende Institutsleiterin des Goethe-Instituts Moskau Ulrike Würz sprach über die Bedeutung der Konferenz: „Die Sprachthemen sind, natürlich unsere Themen auch. Was diese Konferenz wirklich leistet ist einen sehr breiten Einblick in die verschiedenen Fragestellungen, die jetzt nicht nur der deutschen Minderheitensprache, also Muttersprache betreffen sollen, sondern soeben insgesamt, wie steht es mit Deutsch hier in Russland und was für Bereiche sind eigentlich vom Interesse und was sollen wir fördern“.

Sie betonte die Bedeutung des Frühlernens der deutschen Sprache und der Notwendigkeit der Bildung von Fachkräften. Als positives Beispiel nannte sie die jährlichen Reisen der Deutschlehrer aus Russland nach Flensburg. In dieser dänischsprachigen Region wird Deutsch als Muttersprache für ethnische Deutsche unterrichtet. Insbesondere wurde diese Erfahrung genutzt, um das System des Frühlernens der deutschen Sprache im Deutschen Nationalrayon Asowo des Gebiets Omsk zu entwickeln.

Ratsvorsitzender der Stiftung „Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“, Co-Vorsitzender des Deutsch-Koreanischen Forums Hartmut Koschyk, stellte fest, dass die Russlanddeutschen in den letzten 10 Jahren dank aktiver Spracharbeit bedeutende Erfolge erzielt haben: „Mir wird dieses Format der Sprachkonferenz der Deutschen in der Russischen Föderation immer unvergessen bleiben, weil es die erste Veranstaltung war, die ich in meinen damaligen neuen Aufgaben als Beauftragter der Bundesregierung für Aussiedlerfragen und nationale Minderheiten im Jahr 2014 damals in Moskau besucht habe. Diese systematische, kontinuierliche Spracharbeit wird wirklich seit Jahren geleistet und zeigt unübersehbar ihre Erfolge“.

Stellvertretender Geschäftsführer der Deutsch-Russischen Auslandshandelskammer in Moskau Christian Harten sprach auch über die Bedeutung der deutschen Sprache: „Es ist eine Freude, Kinder mehrsprachig aufwachsen zu sehen – russisch und deutsch. Die AHK findet das Beherrschen von mehr Sprachen nicht nur als Bereicherung und kulturelle Errungenschaft: mit dem Erlernen der Fremdsprache entsteht die Möglichkeit, die wird in der Regel wahrgenommen, die Kultur des Sprachpartners kennenzulernen und zu verstehen. Durch das Verständnis kommt gegenseitige Achtung und Wertschätzung“.

Er sprach auch über das Potenzial gemeinsamer Geschäfte zwischen Deutschland und Russland und die Rolle des Sprachunterrichts für dessen Entwicklung. „Die russische Sprache ist heute die Geschäftssprache. Deutschland ist jedoch das Zielland für den Export, daher ist es notwendig, eine Ausbildung für Deutsch zu entwickeln. Ich freue mich sehr, diese Konferenz zu begrüßen, die die Schaffung von Großprojekten in diesem Bereich beinhalten wird“.

Die Projektkoordinatorin der Föderalistischen Union Europäischer Nationalitäten (FUEN) Bérengère Francis Vogel, sprach über die Arbeit der Union, die 107 Organisationen aus 35 Ländern zusammenbringt und die Interessen nationaler Minderheiten in Europa auf nationaler und europäischer Ebene vertritt. „2018 hat FUEN die Arbeitsgemeinschaft „Bildung“ gegründet. Das ist die jüngste AG der FUEN-Familie, die mit dem Ziel gegründet wurde, die Minderheiten in ihrer Bildungsarbeit zu unterstützen, Erfolge zu teilen um andere zu inspirieren. Es war bis jetzt nur drei Arbeitstreffen der AG und aus diesen Sitzungen ist jetzt herausgekommen, dass man um besser arbeiten zu können, eine Übersicht gestalten muss, die fehlt. Weiteres Ziel ist Problemfelder und Schwachstellen in der Minderheitenbildung der verschiedenen Länder aufzudecken und damit gegen schlechten Praktiken und Verstöße unsere Stimme erheben“, sagte Frau Vogel.

Im Jahr 2006 erstellte die FUEN eine Karte der nationalen Minderheiten in Europa, einschließlich 13 Bestimmungen, die sich auf die Erziehung und den Unterricht der Sprache der indigenen Völker Europas auswirken. Gegenwärtig wird auch das Projekt ins Leben gerufen, dessen erste Phase die Forschung auf dem Gebiet der Erziehung indigener Völker ist.

Vorsitzender des Aufsichtsrats der Gesellschaftlichen Stiftung „Vereinigung der Deutschen Kasachstans „Wiedergeburt“ Dr. Albert Rau sprach über die aktuelle Sprachsituation in Kasachstan. Er erzählte, dass in den 1990er Jahren des 20. Jahrhunderts es mehr als eine Million Deutsche in Kasachstan gab, sie haben den dritten Platz in Bezug auf die Bevölkerung eingenommen. Dann haben 800.000 Deutsche Kasachstan verlassen, und die meisten, die geblieben sind haben die Muttersprache verloren. Heute hat Kasachstan vorrangige Sprachen ausgewählt – Kasachisch, Englisch und Russisch. Deutsch war in dieser Liste leider nicht enthalten. Und das ist heute eine schwierige Situation für die Deutschen in Kasachstan

Der Vorsitzende des Jugend- und Studentenrings der Deutschen aus Russland (JSDR e.V.) Waldemar Weiz bezeichnete heute den angesehenen Platz der deutschen Sprache in der Welt. „120 Millionen Menschen sprechen heute Deutsch, dies ist eine der zehn am häufigsten gesprochenen Sprachen der Welt, und es entwickelt sich ständig weiter“, sagte er.


Die 6. Internationale wissenschaftlich-praktische Konferenz ist ein gemeinsames deutsch-russisches Projekt und wird vom Internationalen Verband der deutschen Kultur und dem Institut für ethnokulturelle Bildung – BiZ laut des Kommuniqués der 23. Sitzung der Deutsch-Russischen Regierungskommission für die Angelegenheiten der Russlanddeutschen vom 26. September 2018 abgehalten.

Rubriken: Spracharbeit